Das BST-Moratorium läuft zum Jahresende aus

von Anita Idel

aus Veto Nr. 36 – 1994, S. 42-43

rBST und die Wissenschaft

Seit Jahren werden „wissenschaftliche“ Versuche gemacht, die widerlegen sollen, daß rBST Kühe krank macht. Ohne Erfolg. Der Beipackzettel von POSILAC®, dem in den USA zugelassenen rBST von Monsanto, ist der vorläufig letzte Beweis dafür, daß BST sowohl innerhalb der Herden als auch bei der einzelnen Kuh Krankheiten provoziert. (Veto Nr. 35, S. 27).

Dichtung und Wahrheit

Daß das der Hormonlobby nicht paßt, verwundert nicht. Um Wahrheiten vergessen zu machen, hat sie sich in der Vergangenheit schon manch Wundersames einfallen lassen. So hieß es jahrelang: „Wachstumshormon ist kein Hormon, sondern ein Protein. “ Solch plumpe Verwirrspiele haben aber ihre Adressaten – die den Hormonen abgeneigten Konsumentlnnen – letztlich nicht überzeugen können. „Das hat soviel Wahrheitsgehalt wie: Eine Stachelbeere ist keine Beere, sondern eine Frucht“, so oder ähnlich lautete die Entgegnung auf mancher rBST-Veranstaltung.

Inzwischen lassen sich die Gesundheitsstörungen im Zusammenhang mit rBST nicht mehr unter die Kuh kehren. Zudem dürfte auf einem Beipackzettel die folgende Formulierung unter „General health“ wohl ein Novum darstellen: „Use of POSILAC® is associated with increased frequency of use of medication in cows for mastitis and other health problems. „

Nicht nur rBST macht krank

Wie sich die meisten Wissenschaftler aber um die grundsätzliche Kritik an rBST drücken, demonstriert beispielhaft Prof. Heeschen von der Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel. Er tut sich schwer, rBST für erhöhte Krankheitsraten verantwortlich zu machen. Aber er wird gesprächig, wenn es um die negativen Auswirkungen der Leistungssteigerung auf die Tiergesundheit geht. Das ist Öl auf die Mühlen der Hormonlobby, die nun gebetsmühlenartig wiederholt: „Die Krankheitsprobleme sind keine Folgen des rBST, sondern der Leistungssteigerung.“ Eine offensichtlich geschickte Argumentation, fragen sich doch jetzt selbst nachdenkliche Geister in der Landwirtschaft, wie man denn hier differenzieren könne. Geschickt vor allem, weil darüber vergessen wird, worum es eigentlich geht.

Wir haben auch ohne rBST große Probleme mit der Tiergesundheit. Dies ist die Folge einseitiger Selektion auf Milchleistung: Die als zweiprozentiger Zuchtfortschritt pro Generation definierte Leistungssteigerung hat inzwischen zu einer Verdopplung der Milchleistung pro Laktation geführt, gleichzeitig aber zu einer drei- bis vierfach erhöhten Krankheitshäufigkeit bei Euterentzündungen, Stoffwechselentgleisungen und Fruchtbarkeitsstörungen. Jede neue oder zusätzliche Maßnahme muß sich deshalb daran messen lassen, ob sie zur Reduzierung der Krankheiten und damit auch des Medikamenteneinsatzes beiträgt. Eine Strategie, deren vorrangiges Ziel gar nicht darin liegt, etwas für die Tiergesundheit zu tun, disqualifiziert sich von vornherein selbst.

Kein Forschungsbedarf

Das wissenschaftliche Gerede darüber, wie krank rBST unsere Kühe denn nun genau macht (Angaben in Eiter und Pfennig), lenkt nur vom eigentlichen Problem ab. Auch Professor Pschorn, nunmehr Präsident der Bundestierärztekammer, glänzte Ende Juni mit der Äußerung, so einfach sei das ja gar nicht mit diesen ganzen rBST-Nebenwirkungen, da müsse noch einiges geforscht werden. Überraschend und wohltuend darauf die Entgegnung von Professor Grunert, dem Leiter der Gynäkologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover: Da brauche man gar nicht forschen. Wer wisse, wie es bereits heute um die Kühe bestellt sei, wisse auch schon, was bei rBST herauskomme.

Gesundes Fieber

Aber die Hormonlobby hat noch einige Knackpunkte mehr auf Lager. Auf dem POSILAC®-Beipackzettel findet sich unter „Additional Veterinary Information“ folgende Formulierung: „Care should be taken to differentiate increased body temperature due to use of POSILAC® from an increased body temperature that may occur due to illness. „

Vorsichtiges Differenzieren ist also angesagt zwischen „gesunder“ und „kranker“ Temperaturerhöhung. Noch Fragen? Der Bundesverband für Tiergesundheit (der Interessensverband der Veterinärpharmaindustrie in Deutschland) bietet auch hier Antworten. Die Temperaturerhöhung sei Folge des erhöhten Stoffwechsels. Klingt nicht schlecht. Aber nach dieser Logik hätte die Durchschnittstemperatur unserer Hochleistungskühe in den vergangenen Jahrzehnten um einige Grade steigen müssen.

Alle sind dagegen – aber rBST kommt trotzdem?

Obwohl sich selbst die Bundestierärztekammer (ehem. Deutsche Tierärzteschaft), der Deutsche Bauernverband und Landwirtschaftsminister Borchert dagegen aussprechen, hat die Pharmaindustrie gute Karten für eine rBST-Zulassung. Denn der zuständige Tierarzneimittelausschuß hat rBST „Unbedenklichkeit“ bescheinigt und damit „grünes Licht“ für eine Zulassung nach Ende des Moratoriums im Dezember 1994 gegeben.

Grundlage für diese bereits 1993 gefällte Entscheidung war die EU-Tierarzneimittel-Richtlinie, nach der für eine Zulassung die gewünschten die unerwünschten (Neben)Wirkungen überwiegen müssen. Leistungssteigerer aber werden einzig aus ökonomischen Gründen, und das heißt vor allem ohne jegliche therapeutische Notwendigkeit verabreicht. Bereits 1989 hatte die EG-Kommission bemängelt, daß es für die Zulassung von Leistungssteigerern wie dem rBST gar keine rechtliche Grundlage gäbe. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Wenn nur alle sagen, daß sie dagegen sind, aber keiner etwas tut, wird rBST auch in der EU zugelassen werden. Die Deutschen können nun im Rahmen ihrer EU-Ratsführerschaft unter Beweis stellen, wie ernst ihnen ihr „Nein“ wirklich ist.

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