Von wegen Ende der Utopien! Kaum gehen die vielgescholtenen 90er Jahre in ihre zweite Runde, haben die Medien sich daran gemacht, einen neuen Aufbruch zu inszenieren. Und das in einem Land, das zwar immer noch und trotz allem auch unseres ist. Einem Land freilich, das damit beschäftigt zu sein scheint, seine ehedem agrarischen Nutzflächen in „Kulturbrache“, abgewickelten Fabriken in „Industriebrache“ und seine vormaligen Vorzeigeintellektuellen in eine völkisch-nationale Denkbrache zu entlassen. Die Revolution kehrt, hören wir sagen, zurück und ist vor allem anderen – vegan. Das Lebensgefühl der MTV-Kids, jener globalen Zapper und nach ihrem Selbstverständnis kulturellen Samples, ist clean. Blutlos und radikal zugleich. Auf Shampoo-Planet weiß jedes Kind, daß Haar, sprich performance und Outfit, wichtig, die Welt hoffnungslos zerstört und der Tod – zumindest von Artgenossen – spätestens seit „desert storm“ ein finales Medienereignis ist.
Das Lebensgefühl ist (oh sentiment!) vegan, der mystischaufgeladene Naturbegriff der 80er einem virtuell- technoiden gewichen Der objektive Widerspruch zwischen dem Mangel an „Natur“erfahrung auf der einen und der Sehnsucht nach einem harmonischen „Miteinander“ von Mensch und Umwelt auf der anderen Seite wird durch einen Rückzug in synthetische (Wahmehmungs-) Sphären offensiv aufgelöst.
Benutzerlnnnen von U-Bahnen und anderen großstädtischen Einrichtungen wissen mittlerweile, daß Milch gleich ’’Raubmord“ und Fleisch gleich „Mord“ ist. Veganische Fundis laufen mit einer ebenso kryptischen wie einprägsamen T-Shirt-Botschaft durch die Asphaltschluchten: Meat Is Shit.
Zuverlässige Umfragen auf der letzten Redaktionssitzung weisen „vegan“ als Reizwort des Wochenendes aus. Was von Fernsehen und Printmedien als „vegan revolution“ aufgeblasen wird, stellt sich beim ersten Hinsehen als Amalgam aus Fundamentalopposition und Konsumkritik dar. Was freilich erst noch zu überprüfen wäre. Die erste Runde unserer Auseinandersetzung mit dem Veganischen läuten wir deshalb auf S. 4 ein, weitere mögen folgen.
Der Zeitgeist ist auch „fit for fun”. Die Message dieser und anderer Hochglanzpostillen ist so simpel wie das ästhetizistische Body-posing ihrerModels: Gestrafftes Single-Fleisch als Garant für ein erfolgreiches Leben bis zum SanktNimmerlemstag. VETO hingegen räumt mit den modernen Gesundheitsmythen auf und empfiehlt – ganz unverkrampft anstelle eines vereinsamten Daseins als dünner Hering die fröhliche Eß- und Trinkgemeinschaft („Ich bin froh, daß ich kein Dicker bin“ auf S. 6).
Während das Europäische Parlament die Patent-Richtlinie vorerst gestoppt hat (S. 19), rückt mit der verabschiedungsfähigen Bioethik-Konvention eine biologistische Expertokratie in bedrohliche Nähe, wie auf S. 16 zu lesen ist. Und wie die Weichen für eine wie auch immer geartete Zukunft von den auserwählten Experten (seltenst -Innen) anhand der auch in kritischen Kreisen weithin akzeptierten Technikfolgenabschätzung je nach Geld und Gusto gestellt werden können, steht auf S. 26.
Schwerpunkt der kommenden VETO Nr. 39 ist das Thema „Ausbildung“, zur Anregung für sämtliche Autorinnen sei auf das Gießener Protokoll in VETO Nr. 37 verwiesen und schließlich noch darauf, daß wir durchaus nichts dagegen hätten, ein etwas dickeres Heft zu machen …
Die Redaktion
Inhalt der Veto 38
Tierschutz
Nix vom Tier – das lob‘ ich mir! Von den Veganem 4
Lebensmittel
Ich bin froh, daß ich kein Dicker bin Durch gesunde Ernährung zu einem langen Leben? 6
Alternative Heilmethoden
Professionelle Nadelarbeit Bericht vom Akupunktur-Seminar II
Transport
Borchert zwischen Bonn und Brüssel Versorgung beim int. Transport 12
Gentechnik
Die PATENTEN GENErationen Der Mensch als Erfindung der Gentechnologie 14
Bioethik
Der Coup der Biokraten Die Bioethikkonvention des Europarates 16
Gentechnik
Gentechnik aktuell 19
Vereine
Der alte Mann und das Schaf Neues vom Verein „Leben mit Tieren“ 21
Tierzucht
Spiel ohne Grenzen? Die Tierzüchtung aus der Sicht der Physiologen 23
Wissenschaft
Euer Fortschritt wird ein Schritt von der Menschheit fort sein Zur Technikfolgenabschätzug 26
Kaum ein Thema ist so geeignet, emotionale Diskussionen anzuheizen wie Seuchen. Das allein ist schon Grund genug, hin und wieder mal eine VETO zu diesem Thema zu machen. Mit Schweinepest und Rinderwahn gibt es unter den Seuchen ja auch durchaus Dauerbrenner zu denen immer was, und sogar Neues zu sagen ist. Ziel dieser VETO ist zum einen die nationale und EU Seuchenpolitik zu durchleuchten, Strukturen darzustellen und auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen, aber auch gängige Denkmuster über die Bedeutung von Seuchen in medizinischer, ökonomischer und politischer Hinsicht aufzubrechen.
Die letzte SeuchenVETO erschien als VETO 32 1993. Seitdem sind 6 Jahre ins Land gegangen, stürzte BSE Europa weiter in den Rinderwahn, raffte die Bekämpfung der Schweinepest Millionen von Schweinen vorzeitig aus dem ohnehin nicht gerade langen Leben, wurde die Erweiterung der EU in Richtung Osten beschlossen, etablierte sich in den neuen Bundesländern eine neue Landwirtschaftsstruktur, wurden neue Impfstoffe entwickelt und alte Arzneimittel verboten, wurden neue Bekämpfungsprogramme für Erkrankungen aufgelegt und alte modifiziert: kurz, es ist viel Blut den Schlachthausgulli hinabgeflossen.
In dieser VETO finden sich zum Schwerpunkt Artikel, die sich mit der Struktur der EU-Veterinärverwaltung und ihren Rinderwahn-bedingten Veränderungen befassen, mit dem Alltag der unteren Landesbehörden, mit konkreten Seuchen (Paratuberkulose, Tollwut und Fuchsbandwurm) und mit der Rolle der Tierärztinnen und Tierärzte in der Tierproduktion. Es geht in dieser VETO also schwerpunktmäßig um die Rolle der TierärztInnen und der Politik im Seuchengeschehen, um Widersprüchliches und Kritisches, um eine Neudefinition tierärztlicher Aufgaben im Nutztierbereich. Diese Funktionsbeschreibung erfolgt für den amtlichen, aber auch für den praktischen Bereich. Daneben blickt diese VETO über die grüne Grenze in ein vorübergehend verwüstetes Schweineproduktionsgebiet und den offensiven Umgang mit der Katastrophe in den Niederlanden. Das Thema wird in dieser VETO sicher nicht abschließend behandelt, aber die VETO wird die Grundlage definieren, auf der künftig weiterdiskutiert werden kann.
Die Qualität dieser VETO darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es strukturelle Probleme in der AGKT gibt, die sich durch die individuelle Weiterentwicklung der einzelnen AGlerInnen zusehends verschärfen. Immer mehr von uns sind fest in berufliche Strukturen eingebunden, die nur relativ wenig zeitlichen Spielraum für die AGKT-Arbeit lassen. Dies manifestiert sich in dem dauerhaften Problem der VETO-Erstellung. Mal fehlt es an Beiträgen, mal fehlen die LayouterInnen. Letzteres ist zwar schon lange ein Problem, wird aber immer nur dann ein Problem, wenn wieder derjenige, der die Hauptlast trägt, von anderen Lasten gebremst wird. Für das weitere Bestehen der Zeitung braucht es also sicherlich ein neues Konzept oder ein paar neue Leute, die Lust haben, auf diese VETO gestaltend Einfluß zu nehmen.
Inhalt der Veto 47
Redaktionelles
Inhalt & Impressum ………………………. 2
Editorial………………………………………. 3
Schwerpunkt Tierseuchen
Von der Rache der Götter zum Handelshemmnis Tierseuchenbekämpfung unter geänderten Vorzeichen ………………………… 4
Eine langsame Seuche Die Paratuberkulose des Rindes …………… 9
HygRL Seuchenhygiene auf freiwilliger Basis ….. 12
Drastische Maßnahmen Über niederländischen Pragmatismus …… 16
Gute Praxis
Das Imperium schlägt zurück Der Tierarzt gehört mit ins Boot Schweinefleisch integriert erzeugen ……… 17
Good veterinary practice Gutes tun ist gar nicht schwer ……………… 21
Wer ist hier anerkannt? Tierarzt zwischen Amt und Praxis ………… 22
Begegnungen mit dem Staat
Fleischuntersuchung unter Billigflagge Beliehene Unternehmer und andere Merkwürdigkeiten ……………………. 24
Fortsetzungsgeschichte Eine Woche im Veterinäramt………… 27
Die Europäische Union Entscheidungsstrukturen im Bereich des Agrar- und Veterinärwesens …………………………….. 30
Tierschutz
Licence to kill Über den Umgang mit „Problemtieren“ … 35
Wer hat Sachkunde? Brief der AGKT an das Bundeslandwirtschaftsministerium zum Thema Töten durch die TierhalterIn ………………………………….. 38
Alles neu macht der Mai Betrachtungen des im Mai 98 bekanntgemachten Tierschutzgesetzes bezüglich Tierversuche ……………………….. 39
Gentechnik
Gene und Klone Möglichkeiten sowie ethische Grenzen der Bio- und Gentechnologie bei Tieren ………………………………………….. 41
Gleiches gleich und Verschiedenes verschieden Eine Antwort auf Reinhard Müller ……….. 44
Weitere Themen
Wochenende in Rappach Protokoll vom AGKT-Treffen ……………… 45
Monsanto und die Pressefreiheit Vom schwierigen Weg einer Zeitschrift zu den LeserInnen ………………. 47
Buchbesprechungen Kritischer Agrarbericht / Handbuch Alp ………………………………… 48
Aus dem Netz
Hart am Wind Tierseuchen im Internet ………………………. 49
Mancher gibt sich viele Müh mit dem lieben Federvieh…
So auch die Autorinnen (viele), Redakteurinnen (sehr wenige) und Layouterlnnen (auch nicht mehr) dieser VETO 44. Ganz offenkundig gibt es einiges zu dem lieben Federvieh zu sagen…
Eines Teils der Eier wegen, welche diese Vögel legen,
Wo werden wie viele Legehennen wie gehalten, warum nicht anders und wer verdient daran?
Zweitens, weil man dann und wann einen Braten essen kann.
Nicht nur von gebratenen Hähnchen ist in dieser VETO die Rede sondern auch von dem Aufsteiger der letzten Jahre, der Pute, und einem bisher noch kleinen aber aufstrebenden, weil nicht mehr flugfähigen, Zweig der Geflügelmast, der Flugente.
Was ist hier jetzt wohl zu tun.. ?.
Auch über diverse Gegenstrategien und vor allem Argumente wird in dieser Veto schwarz auf grau nachgedacht. Sei es, daß Kriterien einer artgerechten Geflügelhaltung diskutiert und Alternativen zum gängigen System vorgestellt werden. Sei es, daß über die Befreiung der Hühner aus der unverschuldeten Unmündigkeit und die juristischen Probleme damit berichtet wird.
Der Schwerpunkt Geflügelhaltung nimmt mit Unterstützung anderer Gruppen (Dt. Tierschutzbund, Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung, Menschen für Tierrechte, Beratung artgerechte Tierhaltung) über die Hälfte dieser VETO ein.
Drittens nimmt man aber auch ihre soziale Funktion….ähem.
Freundinnen der Ziervogelhaltung kommen auch nicht zu kurz. Ein Artikel über die artgerechte Haltung von Zebrafinken und einer über alternative Heilmethoden bei Psittaciden setzen sich kritisch mit den gängigen Konventionen auseinander. Der Artikel über Farbtherapie bei Psittaciden leitet auch in die Reihe Alternative Heilmethoden über, die wir in der letzten VETO begonnen haben, und wird von einem Beitrag über Akupunktur gefolgt.
Eigentlich hätte man diese VETO auch unter den Schwerpunkt Tierschutz stellen können, denn wer von Eiern spricht, kann vom Tierschutz nicht schweigen. Auch wer von enthornten Kühen (S.34) und vom Studium (S.41) spricht, kommt an diesem Thema nicht vorbei. Darüberhinaus ist die Diskussion durch die Novelle des Tierschutzgesetzes derzeit auch institutionell verankert. Auch die AGKT wurde zu dieser Novelle befragt. Die kritischen Bereiche und die Vorstellungen der AGKT dazu werden in einem Beitrag auf Seite 38 dargestellt.
Die letzten beiden Beiträge der VETO leiten zum Schwerpunkt der nächsten VETO und zum Thema des Treffens in Hannover im Herbst über:
Gentechnik – Schwerpunkt von VETO 45 und Treffen
war auf dem letzten Treffen in Berlin schon Schwerpunktthema (S. 44). Seit sich die AGKT vor zehn Jahren sehr grundsätzlich zu diesem Thema geäußert hat, ist viel passiert und nicht wenige AGKTlerlnnen arbeiten heute in Wissenschaft und Praxis mit oder auch gegen die Gentechnik. Die sehr komplexe Materie konnte in Berlin nur andiskutiert werden. Es zeigte sich, das die Heterogenität der Beschäftigungsfelder auch extrem heterogene Auffassungen über die Wünschbarkeit, Tolerierbarkeit und Ablehnung gentechnischer Methoden und Produkte hervorgebracht hat, die in Berlin zu einer ausgiebigen aber nicht eben ergiebigen Diskussion führten. Nachdem das Feld nun gesichtet ist, wird es in Hannover darum gehen, ein wenig Struktur in den Wust von Informationen und Positionen zu bringen. Es wird um die Frage gehen, ob der Begriff Gentechnik tatsächlich zu pauschal ist und eine Differenzierung beispielsweise in Diagnostik (analytische Gentechnik) und „konstruktive“ Gentechnik uns weiter bringt. Ob es Nutzen bringt, zwischen Lebewesen und ihren Produkten zu unterscheiden. Ob es Möglichkeiten gibt, Kosten/Nutzen und Risiko/Nutzen Abwägungen durchzuführen, ob diese überhaupt sinnvoll sind oder lieber grundsätzlich ethisch zu argumentieren ist (Stichwort Würde der Kreatur).
Es ist zu hoffen, daß die Diskussion in Hannover besser strukturiert sein wird als uns das in Berlin gelungen ist.
Veto forever
Es gibt noch ein paar Probleme, auf die die Redation hinweisen möchte: Zum einen sollten alle Abonnentinnen, die den Sozialpreis entrichten, Einkehr halten, ob sie sich nicht mittlerweile den vollen Preis leisten können und damit die VETO sichern helfen. Hierzu sind im Mittelteil Jubelpostkarten vorbereitet.
Zum anderen sind wir alle ein bißchen VETO und dürfen auch gern zur Redaktionssitzung kommen, um die VETO noch besser zu machen (geht das?).
Im Vorfeld der diesjährigen Gießener Herbstagung der AGKT – inzwischen eine fest etablierte Veranstaltung, diesmal zum Thema Leistung und Gesundheit – recherchierten unsere profiliertesten Ressorleiterlnnen zu den Themen AGKT/GÖT/IGN/TVT, BSE und BSI, EHEC und TKBA, PSE, NC und BAFÖG, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge.
In dieser VETO also schwerpunktmäßig wieder moderne Zeiten: der Teufel der Intensivproduktion landwirtschaftlicher Nutztiere (vormals kurz, prägnant und falsch: Massentierhaltung) steckt im Detail, so daß Lösungsvorschlägen zwar ohne große Entwürfe und Phantasie wohl nicht auskommen, ein Mindestmaß an Sachkenntnis aber durchaus hilfreich sein kann. Wir laden ein, die VETO auf diesen Nutzwert hin zu überprüfen.
Andererseits habe ich mir gerade im ersten öffentlich-rechtlichen das Magazin „Report” angeguckt, aus Baden-Baden oder war es doch aus München, jedenfalls hatte der Herr, der die Beiträge ankündigt, einen Schnautzer. Aber ich weiß natürlich nicht, ob uns das jetzt weiterhilft, bin also nun mal wieder verwirrt, weil da zwei Beiträge gezeigt wurden, die auch irgendwie mit unserer Arbeit zu tun hatten, und eigentlich wollte ich doch schreiben, wie wichtig das ist, daß es die VETO gibt, aber nach so einem Magazin frage ich mich mal wieder, ob es nicht doch vernünftiger wäre, nur ein einziges Exemplar jeder VETO zu erstellen, um das dann an die Sendung mit der Maus zu schicken.
Weil sie in dem Magazin nämlich erstens berichtet haben, daß es eine Salmonelle gibt, die typhimurium heißt, und die sei jetzt in einer tückischen Art und Weise mehrfach resistent geworden und gefährlich. Und zweitens haben sie noch einen Bauern gezeigt, dem Haus und Hof wegversteigert worden sind, und Schuld hatte in seinem Fall direkt der gesunkene Milchpreis und indirekt die EU in Brüssel.
Wer aber trotzdem immer noch lesen will, wird auch in dieser Veto Beiträge von Menschen finden, die sich hauptberuflich mit Tiermedizin beschäftigen, was sie aber weder dazu verleitet, zu schweigen, noch ihr Heil in anderen, prestigeträchtigeren Publikationen zu suchen.
i. A. des Lay-Outs Norbert Roers
Inhalt der Veto 42
Inhalt und Impressum Redaktionsadressen ….2
Editorial….3
all around
Häc Mäc um EHEC zur Versachlichung der Diskussion um eine Zoonose….4
Tierkörperbeseitigung nach BSE ….7
Quälende Masken wie sich Verluste und Quälitätseinbußen in der Schweinemast rechnen…. 11
Tierschutz
Neues von der Straße Tiertransporte- Gesetzeslage – Ausblick….13
Tierschutz bei Schlachttieren Aus für das BSI?….16
Gentechnik
Vom Waren-Wert der Tiere das Tier im Patentrecht ….19
Kleine Chronik des Koordinationsbüros “ Kein Patent auf Leben“ 1992-1993 …..22
Gentechnik und Landwirtschaft Try and error – ein aktueller Überblick….23
Heimtiere
Anforderungen an die tiergerechte Haltung der Europäischen Landschildkröte ….25
Berufspolitik
Das Boot ist voll Ausweg aus der Krise des Berufsstaaandes….27
AGKT intern und extern
AGKT 1996 statt EXPO 2000 Protokoll des AGKT Treffens in Hannover Presseerklärung zur Zulassungsbeschränkung Brief zum Umbau des Lehr- und Forschungsgutes „Ruthe“ ….31
Cooperation und Co-Evolution AGKT – GÖT – IGN – TVT need to gather Mikroorganismen und Immunsystem – die Co-Evolution geht weiter ….35
Diese VETO hat den Schwerpunkt Ausbildung – Anforderungen an das Studium der Tiermedizin. Zur Zeit des letzten AGKT-Gesamttreffens in Berlin war die Sache mit der TAppO-Reform eigentlich schon gegessen, die uns in der Vergangenheit mehrfach in der VETO beschäftigt hat. Nach knapp 7 Jahren Studienreform ist das Ergebnis bescheiden. Eine Reform, die den Namen nicht verdient, die die Grundübel des Tiermedizinstudiums weiter fortschreibt und durch einige kosmetische und viele administrative Änderungen den Eindruck von Veränderung zu erwecken sucht. Die neue TAppO ist und bleibt ein Desaster, weil sie die Grundübel des Studiums – Mangel an Zeit, Druck statt Motivation, Zerfaserung statt Koordination – nicht behebt. Zwei der drei in dieser Ausgabe diesem Thema gewidmeten Artikel sind für den Tag danach geschrieben. Es werden dem in den Brunnen gefallenen Kind Schwimmflügel hinterhergeworfen, um es vielleicht über die Zeit zu retten. Sie versuchen, die in der TAppO-Neufassung vorgesehenen Querschnittsfächer mit Inhalt zu füllen. Die in der Vergangenheit gegen diesen und ähnliche Entwürfe vorgebrachte grundsätzliche Kritik (TAppO-Tango, Veto Nr. 37 „Steter Stein des Anstoßes?“) ist damit nicht vom Tisch. Unsere Forderungen nach ersatzloser Reduzierung der Pflichtstundenzahl auf 70 % des derzeitigen Wertes, unsere Ablehnung von sogenannten Schnellschußprüfungen und unsere Forderungen nach einer besseren Koordination der Lehre wurden im vorliegenden Entwurfnoch nicht durchgesetzt.
Grundsätzliche Kritik am Studium der Tiermedizin ist Thema im dritten Artikel, die größten Defizite der tierärztlichen Ausbildung liegen nicht im Praxis-, sondern im Theoriebereich.
Ein zweiter Block von Artikeln befaßt sich mit dem Thema Landwirtschaft und Ökologie. Ergebnisse der Enquete-Kommission des Bundesttages „Schutz der Erdatmosphäre“ und einer amerikanischen Studie über das Ausmaß der Bodenerosion auf landwirtschaftlichen Nutzflächen werden referiert. Ein Artikel über Gentechnik als Reparaturtechnologie rundet diesen Block ab.
Haltung und Transport von Tieren ist Gegenstand weiterer Artikel. Anforderungen an die artgerechte Haltung von Ratten werden skizziert und zur Diskussion gestellt. Er eröffnet damit einen losen Reigen von Artikeln zur artgemäßen Haltung von Heimtieren, der in den nächsten VETOs fortgesetzt werden soll. Der zweite Beitrag referiert die Ergebnisse eines Seminars über die Haltung von Pferden (s.a. VETO 37) und der dritte den EU-Kompromiß über Tiertransporte. Mit der Praxis der Durchsetzung artgerechter Tierhaltung im universitären Bereich befaßt sich der Bericht der „Ruthe AG“ der TiHo Hannover.
Im Hinblick auf das Thema der nächsten VETO (Agrarpolitik) und die „Grüne Woche“ in Berlin im Januar 1996 sind zwei Artikel zu lesen, die unterschiedliche Vorstellungen über die Stoßrichtung einer AGKT-Arbeit zur Agrarpolitik umreißen. Ist Agrarpolitik ein besonderes Politikfeld, in dem das Primat des Politischen gilt, oder ist die Entwicklung in der Landwirtschaft als fester Bestand gesamtgesellschaftlicher Bedingungen in erster Linie den Gesetzen der Marktwirtschaft (etwas altmodisch auch Kapitalismus genannt) unterworfen? Die hier angerissene Diskussion soll auf dem Treffen in Emmerich im November (siehe Rückseite der VETO) fortgefiihrt imd um die Frage der Bedeutung des Rechtes in dieser Entwicklung erweitert werden, um dann in der nächsten VETO und auf der Grünen Woche eine erste, sicherlich vorläufige Position an die Öffentlichkeit tragen zu können.
Rundbrief
Es gibt ihn noch. Er wird mehr oder weniger regelmäßig verschickt und enthält Informationen aus und für die AGKT. Wer ihn zugesandt bekommen möchte muß regelmäßig 20,- DM pro Jahr bezahlen (besser noch eine Einzugsermächtigung erteilen, Konto siehe Impressum). Die Koordination hat seit dem Treffen im Mai Christiane Schmahl (Adresse s. Impressum) übernommen. Wichtig für ihre Arbeit ist natürlich, daß sie die zu verbreitenden Informationen auch erhält.
Agrarpolitik, Ost/West – die nächsten Themen
Wie auf dem Berliner Treffen im Mai besprochen und im Editorial angerissen, soll es in der nächsten VETO um Agrarpolitik gehen. Was und wer bewegt die Agrarpolitik wohin – und wohin würden wir sie gern bewegen. Ziel ist, die Diskussion über das „ein bißchen sozialer, ein bißchen ökologischer, ein bißchen netter“ hinauszutreiben, da diese Wünsche zwar nicht falsch, aber auch nicht eben konkret sind (und so war das doch mit der Wahrheit, konkret soll sie sein) und deshalb so trügerisch konsensfähig sind. Die gesellschaftliche Funktion der Landwirtschaft, die weit über die Bereitstellung von Nahrungsmitteln hinausreicht, ist zu analysieren ohne sie zu mystifizieren. Es wird darauf ankommen, Alternativen jenseits von Demeter-Müsli für alle zu formulieren.
Das Thema Ost/West beleuchtet diese Fragen aus einem anderen Blickwinkel, denn es bestehen nicht zuletzt in der Landwirtschaft erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen den Resten der beiden deutschen Staaten, deren einer sich die Zukunft der bäuerlichen Familienbetriebe auf die Fahnen geschrieben hatte, während der andere sich kurzerhand als Arbeiter- und Bauernstaat verstand. Wie es um die beiden Landwirtschaften 6 Jahre nach der staatlichen Ver- einnahmung bestellt ist, soll ein Thema der VETO 41 sein. Auch die Frage, welche Rolle Tierärztinnen in diesen Landwirtschaften und in diesen Gesellschaften spielen, ist eine für uns nicht unwichtige Frage. Und: Warum gibt es an der Uni Leipzig noch keine AGKT-Gruppe und in München keine mehr?
…sind wir nicht geworden. Nach 10 Jahren Rinderwahnsinn befällt die Öffentlichkeit plötzlich eine von John Major zu Recht als irrational bezeichnete Panik, die Märkte brechen ein, Vegetarierinnen reiben sich die Hände, die Presse freut sich über steigende Auflagen und die Erzeuger von anderen Nahrungsmitteln sehen einen warmen Geldregen auf sich herabprasseln. Die Politik zeigt Führungsstärke. Endlich können sie sich mal beweisen. Den betroffenen Landwirten Großmut, der Öffentlichkeit Entschlußkraft und Handlungsstärke.
Was ist denn eigentlich passiert? Es sind 10 Leute an einer Krankheit gestorben, deren Zusammenhang mit der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie von den Wissenschaftlerinnen nicht mit Sicherheit auszuschließen ist. Das ist keineswegs neu. Gleich zu Beginn der Wahnsinnswelle wurden diese Möglichkeit eines Zusammenhangs von Wissenschaftlerinnen diskutiert. Es hieß, für diesen Zusammenhang beständen keine Hinweise. Wer anderes behauptete, vielleicht gar darauf verwies, daß der unbekannte Erreger schon andere Artbarrieren übersprungen hatte (Vom Schaf zum Rind, von da zumindest zu Katz und Maus), so daß der Sprung zum Menschen zumindest möglich sei, galt den Briten als Feind und Panikmacher.
Das Problem ist kein vorrangig medizinisches, sondern eins von Wissenschaft, Glaube und Sicherheitsphilosophie. Wissenschaftlich mag es sinnvoll sein, so lange von keinem Zusammenhang auszugehen, wie er nicht auch nachgewiesen ist. Ökonomisch schien es zumindest kurz- und mittelfristig attraktiv. Als Sicherheitsphilosophie taugt die Einstellung allemal nicht Und das nicht erst seit März 1996. Die EU hat jahrelang die Ökonomie vor die Vorsicht gestellt, jetzt zahlen ihre Landwirtinnen die Zeche.
Und da es inhaltlich wenig Neues zur BSE zu berichten gibt, findet sich in dieser VETO auch kein Artikel dazu. Sie hat den Schwerpunkt Ost/West und führt außerdem die Landwirtschaftsdiskussion weiter. Es geht um die Entwicklung der Landwirtschaft vor und nach der Wende, um Tierkonzentrationen und Arbeitslosigkeit, um Strukturwandel und Tiergesundheit. Die Situation der Tierärztinnen in der DDR ist Thema eines weiteren Artikels zum Schwerpunkt.
Ganz kommen wir um die Unbedenklichkeit von Lebensmitteln aber nicht drumherum. So wird in deutschen Landen weiterhin Chloramphenicol bei Nutztieren eingesetzt, obwohl dies aus Gründen des Verbraucherschutzes seit gut 1 1/2 Jahren verboten ist und die Hormonmafia drängt mit Macht auf die Zulassung von Steroidhormonen als Masthilfsmittel. Ein gescheiterter Versuch einer allgemeinen Hygienerichtlinie für Lebensmittel be- und verarbeitende Betriebe ist ein Leckerbissen für abenteuerlustige Verbraucherinnen.
Artikel zur artgerechten Haltung von Wellensittichen, zur TAppO, zum Internet und Buchbesprechungen runden die VETO 41 über die Zahl hinaus ab.
Die Redaktion
Inhalt der Veto 41
Inhalt, Impressum Redaktionsadressen ….2
Editorial….3
Ost / West
Die Mauer in den Köpfen .„.-ein subjektiver Beitrag zum Schwerpunktthema Ost / West….4
Zur Bewertung von Großbeständen in der ostdeutschen Viehwirtschaft ….5
5 years after – Landwirtschaft in Ost und West ….9
Leserbrief zum Beitrag: „Come together – Milchviehhaltung in Deutschland“ (Veto 40) ….12
Frauen und Tiermedizin – in der DDR war’s anders !? ….13
Agrarpolitik
Die Postmoderne entläßt ihre Kinder Entgegnung zum „Quo vadis Landwirtschaft“ Artikel (Veto 40)….15
Lebensmittel
Lebensmittelhygiene – grenzenlos und unverbindlich ….17
Gegen die Freigabe von Hormonen in der Tiermast Pressemitteilung ….18
Tierschutz
Der Hund – zu schützendes Tier des Jahres 1996 ….19
Pharma
Rezeptfrei Staunen mit Chloramphenicol ….20
Tierzucht
Pressemitteilung zur internationalen Tagung: Tierzucht und Ethik in der Landwirtschaft – Probleme, Analysen, Perspektiven 23
Buchbesprechung
Tiertransporte – einmal konstruktiv ….23
TAppO
Geschichte der Tierärztlichen Approbationsordnung ….24
Heimtiere
Anforderungen an die tiergerechte Haltung von Wellensittichen (Melopsittacus undulatus) ….26
Praxis Beratung
Ein Stern am Horizont vereinsamter Großtierpraktiker- Der Internetanschluß….28
Über die Problematik der Antibiotikaresistenzen, auch im Hinblick auf Leistungsförderer, ist wiederholt in dieser Zeitung berichtet worden (u.a. Nr. 23 u. 27). Seit den letzten Beiträgen zum Thema gibt es einige Neuigkeiten zu berichten:
die Entdeckung von Kreuzresistenzen zwischen dem humanmedizinischen Reserveantibiotikum Vancomycin und dem Leistungsförderer Avoparcin, was ein europaweites Verbot des letzteren zur Folge hatte
der EU-Beitritt Schwedens, das den Einsatz von Leistungsförderern seit 1986 verbietet, was intensive Diskussionen in der EU zur Folge hatte
verschärfte öffentliche Bedenken gegen den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung allgemein.
1. Avoparcin
Der Leistungsförderer Avoparcin, der seit Jahrzehnten in der Schweine- und Geflügelhaltung, in Großbritannien auch in der Milchviehhaltung, zugelassen war, ist ein Glykopeptid-Antibiotikum, von dem bis vor wenigen Jahren keinerlei Probleme bekannt waren (es wird enteral kaum resorbiert und eine Resistenzbildung war unbekannt).
In Krankenhäusern sind multiresistente Staphylococcus aureus-Stämme ein zunehmendes Problem: Patienten starben z.T. nach kleineren Eingriffen an Wundinfektionen und Septikämien; das Glykopeptid Vancomycin ist das einzig wirksame Antibiotikum gegen diese Stämme. Bei anderen Bakterien (Enterokokken) wurden Vancomycinresistenzen schon nachgewiesen. Eine befürchtete Übertragung dieser Resistenz auf multiresistente Staph.-aureus-Stämme wäre katastrophal. Ein kausaler Zusammenhang zwischen vancomycinresistenten Bakterien in Krankenhäusern und Avoparcineinsatz in der Tierhaltung wird kontrovers diskutiert: in den USA wird Avoparcin (legal) nicht eingesetzt, Vancomycinresistenzen sind hier jedoch auch ein Problem. Der Vancomycineinsatz in den Krankenhäusern ist jedoch höher als in Europa, und importiertes Fleisch kann aus Betrieben stammen, die Avoparcin einsetzen. Insbesondere aus Dänemark und Deutschland gibt es Untersuchungen, die einen solchen Zusammenhang nahelegen:
In Krankenhäusern der ehemaligen DDR wurden Anfang der 90er Jahre vancomycinresistente Enterokokken entdeckt, obwohl dieses Antibiotikum dort vor Öffnung der Grenze kaum eingesetzt wurde. Die Entdeckung vancomycinresistenter Enterokokken im Tau- und Waschwasser von Tiefgefrierhähnchen in der Krankenhausküche und die nachgewiesene Kreuzresistenz zwischen Avoparcin und Vancomycin machen den Herkunftsbestand als Resistenzquelle wahrscheinlich (KLARE et al. 1995). Somit war ein deutlicher Hinweis auf eine humanmedizinische Gefährdung durch den Einsatz von Leistungsförderern in der Tierhaltung erbracht, der auch durch vorhergehende Untersuchungen (BATES et al. 1993) unterstützt wird.
Für die Pharmaindustrie und Teile der Schweine- und Geflügelwirtschaft ist das Avoparcinverbot ein Alarmsignal, insbesondere, da es als Präzedenzfall das Verbot weiterer oder gar aller Leistungsförderer nach sich ziehen könnte. Es wird betont, daß das Verbot „wissenschaftlich unbegründet“ sei (Animal Pharm, Review 1997), wobei die Kosten und der Wettbewerbsnachteil angeführt werden, die durch eine verminderte Futterverwertung und Tageszunahmen entstehen. Die Antibiotikadiskussion ist z.Z. die größte Sorge der veterinärpharmazeutischen Industrie.
Der Zusammenhang zwischen dem Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung und Resistenzen bei Menschen ist jedoch keineswegs neu: der Swann-Report von 1969 war bereits Folge einer Epidemie multiresistenter Salmonellen. HOLMBERG et al. (1984) untersuchten Salmonelloseausbrüche bei Menschen in den USA von 1971-1983 und konnten resistente Salmonellen bis in den Rinderstall zurückverfolgen. Eine ausführliche Übersicht über diese Problematik insbesondere im Hinblick auf Leistungförderer geben RICHTER et al. (1996).
Es ist quantitativ kaum erfaßbar, welchen Anteil der Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin an der zunehmenden Resistenzproblematik in der Humanmedizin besitzt, was von der „animal health industry“ oft dazu verwendet wird, die Verantwortung v.a. der Humanmedizin zuzuweisen. Dazu sollte jedoch beachtet werden, daß Antibiotika in der Tierhaltung zum großen Teil aus rein ökonomischen Gründen eingesetzt werden (Leistungsförderung, „Einstallungsprophylaxe“ als Kompensation für nicht artgerechte Haltungs- oder Transportbedingungen sowie Zukauf aus mehreren Beständen). Die Argumentation, aus Tierschutzgründen eine Einschränkung des Antibiotikaeinsatzes abzulehnen (siehe Bayer Anzeige), ist daher nicht nachvollziehbar. Allein der stichhaltige Verdacht, daß Tier-Antibiotika einen Beitrag zu humanmedizinischen Resistenzen leisten könnten, sollte daher einen restriktiven Einsatz nach sich ziehen.
2. Die Situation in Schweden
Eine Übersicht über die Entwicklung in Schweden geben ROBERTSON und LUNDEHEIM (1994):
In den 80er Jahren gab es eine intensive Diskussion zu Tiergesundheit, Tierschutz und Fleischqualität, wobei u.a. die schwedische Fleischvermarktungsgesellschaft, der schwedische Bauernverband und die schwedische Gesellschaft für Tiermedizin stärkere Restriktionen beim Antibiotikaeinsatz forderten. Im Januar 1986 wurde daraufhin jeglicher Einsatz von antimikrobiell wirksamen Substanzen auf die Indikationen Vorbeuge, Erleichterung und Heilung von Krankheiten beschränkt (Leistungsförderer sind also ausgenommen) und der tierärztlichen Verschreibungspflicht unterstellt.
Der Einsatz von Antibiotika insgesamt ging daraufhin um ca. 35 % zurück. Detalliert untersucht wurden die weiteren Auswirkungen des Leistungsfördererverbotes im Hinblick auf die Ferkelerzeugung. Vor dem Verbot war dem gesamten kommerziell vertriebenen Ferkelfutter Olaquindox (50 mg/kg) zugesetzt, ein Leistungsförderer mit Breitbandwirkung u.a. gegen E. coli und den Dysenterieerreger, der damit als „Nebeneffekt“ eine prophylaktische Wirkung gegen Durchfälle beim Absetzen entfaltet. Zu Recht wird von der Pharmaindustrie angemerkt, daß direkt nach dem Verbot die Probleme zunahmen (insbesondere um mehr als 100% zunehmende Durchfälle beim Absetzen, verringerte Wachstumsraten und zunehmende Mortalität), und dadurch der Einsatz therapeutischer Antibiotika (u.a. Olaquindox in höherer Dosierung von 160 mg/kg) erhöht werden mußte. Somit blieb der Olaquindoxverbrauch von 1985-1987 konstant. Eine weitere negative Begleiterscheinung ist der vermehrte Einsatz von Zinkoxid als „Antibiotikaersatz“ im Ferkelfutter , der ökologisch problematisch ist. Die offensichtlichen Probleme nach dem Leistungsfördererverbot führten zu verstärkten Forschungsanstrengungen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen (Stallbau, Hygiene, Management) sowie der Fütterung. Eine Gruppe der Schwedischen Gesellschaft für Tiermedizin untersuchte Absetzprobleme und stellte strenge Richtlinien für den Einsatz von Fütterungsarzneimitteln auf. Danach müssen zunächst eine Untersuchung der Herde durchgeführt und prädisponierende Faktoren abgestellt werden, bevor Antibiotika verschrieben werden dürfen. Weiterhin sind vor dem Antibiotikaeinsatz diagnostische Untersuchungen durchzuführen. Der Schwedische Tiergesundheitsdienst verstärkte seine Anstrengungen, den Landwirten know-how und Leitlinien zu vermitteln.
Die Autoren beurteilen das „Schwedische Modell“ als erfolgreich, da es durch hohe Tierschutzstandards und das Fehlen eines routinemäßigen Antibiotikaeinsatzes gekennzeichnet ist. Leider liefern sie jedoch keine Zahlen, die belegen, wie erfolgreich sich die Beratungsprogramme im Hinblick auf die Tiergesundheit auswirkten.
Des weiteren ist das genaue Monitoring des Arzneimitteleinsatzes bemerkenswert. Daten zur Entwicklung z.B. der Olaquindoxmenge pro 10 000 Schweine, des Anteils der verschiedenen Antibiotika sowie der Resistenzsituation werden kontinuierlich erhoben und veröffentlicht. Interessant ist beispielsweise, daß das am häufigsten angewandte Antibiotikum Benzyl-Penicillin ist, welches die erste Wahl bei Eutererkrankungen der Kühe darstellt, und daß nur ca. 5 % der Staph.-aureus- Stämme bei Mastitiden Penicillinase bilden (Übersicht bei BJÖRNEROT et al. 1996).
3. Weitere öffentliche Bedenken gegen den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung
Als Quelle weiterer Bedenken der Öffentlichkeit gegen den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung sei beispielhaft das (nicht als industriefeindlich bekannte) britische House of Lords angeführt: Der siebte Bericht des „Select Committee on Science and Technology“ enthält zahlreiche interessante Fakten und Stellungnahmen zum Thema:
Es wird geschätzt, daß – auf Großbritannien bezogen – etwa die Hälfte der antibiotisch wirksamen Substanzen im „nicht-humanen Bereich“ eingesetzt werden. Der Public Health Laboratory Service (PHLS) betont auf Anfrage, daß die Geschichte von Salmonelloseausbrüchen eng mit dem Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung verbunden ist. Der Swann Report von 1969 war Konsequenz einer Epidemie multiresistenter S. typhimurium – Stämme (DT29) bei Rindern und Menschen. Nachdem infolge des Swann Reports einige Antibiotika (wie Chloramphenicol) als Leistungsförderer verboten wurden, ging die Epidemie zurück.
1975 wurde der Nachweis erbracht, daß Apramycin aus der Kälberhaltung für gentamicinresistente S. typhimurium – Stämme beim Menschen verantwortlich ist. (Anmerkung: Apramycin wird in GB immer noch umfangreich angewendet, während Gentamicin nicht für lebensmittelliefernde Tiere zugelassen ist.)
Nach der Zulassung von Fluorchinolonen für Tiere, insbesondere von Enrofloxacin im Jahre 1993, wurde ein Anstieg von Resistenzen bei verschiedenen humanmedizinisch bedeutsamen Salmonellen gegen das Fluorchinolon Ciprofloxacin beobachtet. Ein kausaler Zusammenhang wird von verschiedenen Seiten vermutet.
Nachdem der (britische) PHLS die amerikanische Zulassungsbehörde (Food and Drug Administration, FDA) per Telefon über die Ciprofloxacinresistenzen informiert hatte, wurden in den USA keine Fluorchinolone mehr zugelassen, und der illegale Einsatz bei lebensmittel liefernden Tieren wird von den Aufsichtsbehörden aktiv verfolgt. Großbritannien setzt wie andere europäische Länder die Zulassung von Fluorchinolonen für Tiere jedoch fort, zuletzt von Marbofloxacin auch für laktierene Kühe. In Deutschland wurde in diesem Jahr ein Fluorchinolon für die Trinkwassermedikation bei Broilern zugelassen, mit einem Tag Wartezeit. In Großbritannien sind nicht Salmonellen-, sondern Campylobacter-Infektionen die häufigste Ursache von Lebensmittelvergiftungen. Nach einem WHO-Report gab es nach der Zulassung von Fluorchinolonen für Geflügel einen dramatischen Anstieg von resistenten Campylobacter jejuni-Stämmen, die von Geflügel, Geflügelfleisch und erkrankten Menschen isoliert wurden. Vor deren Einsatz beim Geflügel wurden diese Stämme ausschließlich bei mit Fluorchinolonen behandelten Menschen isoliert. Resistente C. jejuni-Stämme werden mit Therapieversagern in Verbindung gebracht.
4. Schlußfolgerungen
Angesichts dieser Hinweise erscheint die Bemerkung absurd, daß „erst noch umfangreich geforscht werden müsse“, um restriktivere Regelungen in Kraft zu setzen. Tierschutz wird von Teilen der Industrie als „Antibiotika-Verkaufsargument“ genutzt. Die Situation in Schweden unmittelbar nach dem Leistungsfördererverbot wird dabei als abschreckendes Beispiel dargestellt, wobei der zweite Schritt, die nachfolgende Verbesserung der Haltungsbedingungen, sowie die vorbildlichen Leitlinien zum Antibiotikaeinsatz verschwiegen werden. Zahlreiche Markenfleischprogramme in Deutschland kommen sehr gut ohne Leistungsförderer aus. Das bestätigt den Verdacht, daß der ökonomische Nutzen der Leistungsförderer vor allem unter suboptimalen Bedingungen zum Tragen kommt. In der Tierärzteschaft verschiedener Länder bricht „Therapienotstandspanik“ aus, als wolle die Öffentlichkeit uns die Penicillinspritze, mit der wir das leidende Tier retten wollen, aus der Hand reißen. Erforderlich ist jedoch – und das ist gesundheitspolitisch vordringlicher als die Rückstandsproblematik – eine klare Strategie, um den (wahrscheinlichen) Beitrag der tierischen Lebensmittelerzeugung zur Resistenzproblematik zu senken oder zu eliminieren. Hierzu können die Antibiotika in drei Kategorien eingeteilt werden: Leistungsförderer – ein generelles Verbot dieser Stoffe ist wissenschaftlich ausreichend begründbar und auch marktpolitisch sinnvoll, wenn bei Importen auf dieselben Standards geachtet wird. Gerade handelspolitisch wird gegen ein Leistungsfördererverbot insbesondere von der Geflügelwirtschaft argumentiert (Wettbewerbsnachteile auf dem Weltmarkt u.s.w.). Als Gegenbeispiel sei der australische Rindfleischexport in die EU angeführt: Hormoneinsatz zur Leistungssteigerung ist in Australien erlaubt, Betriebe, die für den EU-Export produzieren, wenden diese jedoch nicht an. Strenge EU-Kontrollen auf Hormonrückstände mit dem ständig drohenden totalen Importstop sichern strenge Kontrollen in Australien und die Einhaltung des Hormonverbotes für die entsprechenden Betriebe. Ähnliches ist auch für Leistungsförderer denkbar, sofern der Weg vom Herkunftsbetrieb zum Importeur nachvollziehbar bleibt. Die Kontrollen könnten im Suchen nach bestimmten Resistenzgenen bestehen.
Antibiotikagruppen, die der Humanmedizin vorbehalten sind. Hierzu sollten z.B. Glykopeptide und Fluorchinolone gehören. Diskussionswürdig sind Ausnahmeregelungen für Einzeltiere: die eine euterkranke Kuh oder das an Pneumonie verendende Kalb wird kaum die humanmedizinische Resistenzsituation verschärfen, wenn sie/es mit Baytril behandelt wird, und eine strenge Regelung (ähnlich dem Betäubungsmittelrecht) mit Begründung jedes Einzelfalles erscheint denkbar. Eine solche Regelung würde jedoch die Überwachung bedeutend erschweren und zum Mißbrauch („schon wieder 25 Einzelkälber mit Pneumonie“) geradezu einladen. Antibiotika, die der Tiermedizin zugänglich sind. Hier sollten die schwedischen Leitlinien als Vorbild dienen, insbesondere der prophylaktische Einsatz bei Tiergruppen ist auf strenge Indikationen zu begrenzen und schrittweise durch besseres Management zu ersetzen (geschlossene Systeme, optimale Haltungs- und Klimabedingungen etc.)
In die Weiterbildungsdiskussion ist Bewegung gekommen. Das tradierte System von FachtierärztInnen und Zusatzbezeichnungen wird von vielen nicht mehr für adäquat gehalten. Dafür gibt es gute Gründe. Der folgende Artikel soll zum einen diese Gründe beleuchten, soll andererseits aber auch mögliche Entwicklungswege grundsätzlich aufzeigen, die dann in anderen Beiträgen ausführlicher erörtert werden.
Das zentrale und meistverwandte Stichwort in der Weiterbildungsdiskussion ist das der „Qualität“. Die Frage ist, Qualität in Bezug auf was und wer definiert die Qualität. Die Diskussionsstränge sind geprägt von handfesten Interessen, die sich zum Teil widersprechen. Sonst wäre das ja alles ganz einfach. Nach dem derzeitigen System gibt es zwei Möglichkeiten, eine besondere Qualifikation über den Abschluß des tiermedizinischen Studiums hinaus nach außen hin geltend zu machen. Den Erwerb des Fachtierarztes bzw. der Fachtierärztin und den Erwerb von Zusatzbezeichnungen. Ins Grobe gesprochen sind FachtierärztInnen für die klassischen veterinärmedizinischen Disziplinen vorgesehen, Zusatzbezeichnungen für Spezialbereiche, die aufgrund ihrer Struktur nur schwerlich die Konstruktion eines Fachtierarztes zulassen (alternative Heilmethoden) oder aber hochspezialisierte Teilbereiche betreffen (Ophthalmologie, Zahnheilkunde etc.). Der Erwerb dieser Bezeichnungen ist an Bedingungen geknüpft. Diese bestehen in der Regel im Nachweis von Tätigkeit auf dem Gebiet, Fortbildung und im Rahmen einer durch die zuständige Tierärztekammer abzunehmenden Prüfung von Kenntnissen und zum Teil Fähigkeiten. Die Bedingungen werden im Rahmen des föderativen Systems von allen Kammern für ihren jeweiligen Kammerbereich definiert und divergieren zum Teil. In der Regel werden die einmal erworbenen Titel jedoch von den anderen Kammern anerkannt.
Soweit so gut. Warum nun soll dieses bewährte System plötzlich nicht mehr taugen und erneuerungsbedürftig sein. Im Wesentlichen werden in der Diskussion drei Zielrichtungen verfolgt: 1. Verbesserung der Qualität der Weiterbildung (diesmal konkret), 2. Kollegialer Wettbewerb, 3. Sicherung von Berufsfeldern
1. Verbesserung der Qualität der Weiterbildung
Besser werden wollen wir natürlich alle. Aber es geht hier weniger um das hehre Ziel, Gutes zu tun, als darum, Ansprüchen von außen gerecht zu werden. Verfolgt wird einerseits das Ziel, dem deutschen Fachtierarzt (mehr) internationale Anerkennung zu verschaffen. Mit dem System der European Veterinary Colleges und der Diplomates baut sich für die Fachtierärzte nämlich eine internationale Konkurrenz auf, der gegenüber es sich zu verhalten gilt. Es besteht einhellig die Auffassung, daß diese Einrichtungen die Latte erheblich höher legen, als sie für den Fachtierarzt gelegt wird, mithin diesen künftig zum Experten zweiter Klasse werden lassen könnten. Dem zu begegnen soll nun gezielt die Qualität der Weiterbildung und damit auch das Niveau des Titels erhöht werden. Wie genau das zu bewerkstelligen sein soll, darüber besteht weitgehende Uneinigkeit. Über einige Ansätze wird in dieser VETO an anderer Stelle berichtet.
Der zweite Grund zur Qualitätssteigerung besteht in steigenden Kundenansprüchen. Dies gilt in den klinischen Disziplinen sowohl im Kleintier- und Pferdebereich, als auch durchaus im Nutztierbereich, wo die Qualifikation der Tierhalter in ihrem Beruf rasant steigt und auch das Maß des Möglichen und Nötigen. Schließlich ist es aber auch der generell rasante Zuwachs und die sinkende Halbwertszeit des Wissens (Martens 1999). Auch wenn ein erheblicher Anteil der Wissensmenge vorwiegend von akademischem Interesse ist, macht der Rest immer noch eine ständige und verbesserte Fort- und Weiterbildung erforderlich. Daß das erhebliche Konsequenzen für die Struktur der Weiterbildung hat, dazu später mehr.
2. Kollegialer Wettbewerb
Der entscheidende Unterschied zwischen Fort- und Weiterbildung ist, daß letztere auf dem Praxisschild und der Visitenkarte dokumentiert ist. Mithin werden durch den Erwerb einer Fachtierärztin Erwartungen bei Kunden und Kolleginnen geweckt, denen der Weitergebildete in irgendeiner Form entsprechen muß. Gepaart mit der Zunahme des Wissens, der Möglichkeiten und auch der Spezialisierung, wird es vielen Weitergebildeten kaum gelingen, diesem Anspruch ohne größeren Aufwand auf die Dauer gerecht zu werden. Die Frage an die Modernisierung der Weiterbildung lautet also: Wie kann ich gewährleisten, daß sich hinter dem Praxisschild der Fachtierärztin tatsächlich eine entsprechende Kompetenz verbirgt? Diese Frage beinhaltet eigentlich 3 Fragen: Ist das Gebiet überhaupt in einem Fachtierarzt zu vereinen? Wie kann ich beim Erwerb der Fachtierärztin sicherstellen, daß dieses Gebiet auch wirklich abgedeckt wird? und schließlich: Wie kann ich sicherstellen, daß die betreffende Person die Anforderungen, die an die FTÄ gestellt werden, auch fürderhin erfüllt? Die Problematik des kollegialen Wettbewerbs gilt in erster Linie für den Bereich der tierärztlichen Praxis. Die damit verbundenen Fragen gelten aber auch für die anderen tierärztlichen Betätigungsfelder. Ein weiterer Aspekt des kollegialen Wettbewerbs ist aber auch, daß der Spezialisierungsgrad wiederum nicht so hoch sein darf, daß es für die Qualifizierte keinen Markt gibt (etwa Fachtierärztin für Angiopathien der Kaninchenzehe). Daß diese Anforderung der vorherigen diametral entgegensteht, macht einen nicht unwesentlichen Anteil der Debatte aus.
Sicherung von Berufsfeldern
Hier liegt die Problemstellung ganz anders. Natürlich handelt es sich auch wieder um Fragen der Weiterbildungsqualität, allerdings geht es hier nicht darum, sich die Qualität gegenseitig zu beweisen, sondern sie gegenüber Dritten herauszustellen. Ein typisches Beispiel ist das Arbeitsgebiet Qualitäts- und Hygienekontrollen im Lebensmittelbereich. Hier sind Tierärztinnen in hohem Maße der Konkurrenz anderer Ausbildungsgänge ausgesetzt (z.B. Lebensmittelchemiker und -technologen, ggf. auch Ökotrophologen). Das heißt, es geht hier darum, die Struktur der Weiterbildung so zu gestalten, daß sie neben dem hohen Qualifikationsstand auch noch die Wettbewerbsfähigkeit der Tierärztin in diesem Bereich garantiert. Hier können die Bezeichnung des Qualifikationsgrades und die Dauer des Weiterbildungsganges spielentscheidend sein, da von Bewerbern zum einen sehr spezielle Qualifikationen erwartet werden, andererseits aber auch jugendliche Frische.
Weiterbildungsgänge, deren zeitliches Ausmaß die Bewerberin an den Rand des Mindesthaltbarkeitsdatums führen, mögen eine optimale Qualifikation gewährleisten, allerdings ist die Milch sauer, bevor sie beim Kunden (Arbeitgeber) ankommt (geschlossene Kühlketten hin oder her). Die Anforderung an die Neugestaltung der Weiterbildung auf diesen Berufsfeldern lautet also: hohe und spezielle Qualifikation und zwar ein bißchen plötzlich. Gut Ding darf nicht zu viel Weile haben.
Wir sehen also, der Gründe, das Weiterbildungssystem zu novellieren, sind genügend. Wie aber soll das gehen? Ich möchte mich im Folgenden drei Fragen nähern:
Wie sind hoher Spezialisierungsgrad und ausreichend breite Qualifikation zu verbinden?
Wie läßt sich das Niveau der Weiterbildung im Rahmen des Weiterbildungsganges anheben (ohne daß das Pensum nicht mehr zu schaffen ist)?
Wie läßt sich die mit dem Titel erworbene Qualifikation in Zeiten sich entwickelnden Wissens aufrechterhalten?
Zu 1.: Spezialisierungsgrad und Qualifikation
Die Antwort auf die erste Frage lautet gemeinhin: Modularer Aufbau. Was heißt das? Einfach gesprochen: Die Weiterbildung besteht aus einzelnen Teilstücken, bei deren Kombination sich der eine oder andere Fachtierarzt ergibt. Dieses Modell soll Abbildung 1 veranschaulichen. Ich habe hier das Beispiel des Fachtierarztes für Kleintiere gewählt, weil sich darunter einerseits jeder was vorstellen kann, andererseits ich mit dem Arbeitsgebiet nur wenig Berührungspunkte habe.
So plausibel das Modell zunächst mal aussieht, so sehr steckt der Teufel im Detail. In Abbildung 1 suggeriert der modulare Aufbau, daß der Fachtierarzt für Kleintiere 3 Teilgebiete umfaßt, die unterhalb der Fachtierarztebene angesiedelt sind. Nach herkömmlichen Prinzipien der Baustatik muß also die FTÄ alle drei Teilgebiete abdecken. Das ist nichts Neues. Der Streit entzündet sich an der Frage, ob die Teilgebiete einzeln als Zwischenstufen erworben werden können und schon zum Erwerb einer Qualifikationsbezeichnung führen. Hier setzt gemeinhin ein Sturm der Entrüstung ein. Wie soll das denn gehen? Wie soll so etwas denn möglich sein. Wie soll denn jemand Fachtierärztin für Kleintiere, Teilgebiet Chirurgie sein. Das geht nicht! Und warum nicht? Weil die doch auch was von innerer Medizin verstehen muß! Muß sie das? Sie gibt mit dem Erwerb der Teilgebietsbezeichnung ja nicht die Approbation als Tierärztin ab. Sie wird nur früher in die Lage versetzt, eine Qualifikation, der sie tatsächlich entspricht, auch nach außen hin zu dokumentieren. Vielleicht möchte sie ja eine chirurgische Überweisungspraxis machen, wo sie tatsächlich vorwiegend operiert. Einen Hund mit Diabetes würde sie halt ihrer Studienkollegin überweisen, die das Teilgebiet Innere erworben hat. Die Tatsache, daß sie FTÄ für Chirurgie der Kleintiere ist, entbindet sie keineswegs von der Pflicht, ihr diagnostisches Handwerk zu beherrschen und Fälle, die ihre individuellen Möglichkeiten übersteigen, zu überweisen. Von einer Fachtierärztin ist mehr zu erwarten als „good clinical practice“. Letztere sollte selbstverständlich sein. Vielleicht tun sich die beiden auch zusammen, legen beide noch einen drauf und machen schließlich doch auch die Fachtierärztin für Kleintiere.
Mir scheint dieses Szenario – bei allen Tücken, die es im Detail möglicherweise gibt, nicht abwegig. Die Spezialistin wäre dann jemand, die am Beispiel der Osteosynthese zumindest das Teilgebiet Chirurgie der Kleintiere beherrscht und sich innerhalb dieses Gebietes dann auch noch auf Probleme der Osteosynthese spezialisiert hat. Der Mainstream der Diskussion läuft derzeit andersherum (Abbildung 2).
Hier wird die FTÄ für Kleintiere zur Grundlage weiterer Spezialisierung. Nach dem Motto: Die soll das Kleintiermetier erstmal richtig beherrschen, dann kann sie weitersehen. Auch diesem Modell geht nicht eine gewisse Logik ab. Sie entspricht in etwa der Logik des Untersuchungsganges. Wir machen zunächst mal eine Allgemeinuntersuchung und kommen dann zur speziellen Untersuchung. Nach meiner Einschätzung sollte die Allgemeinuntersuchung aber von jeder niedergelassenen Tierärztin zumindest soweit beherrscht werden, daß sie entscheiden kann, ob das Tier nun ein gebrochenes Bein oder aber eine Herzinsuffizienz hat. Will meinen: Die Fachtierärztin ist nicht Voraussetzung einer Grundqualifikation. Diese soll prinzipiell mit dem Staatsexamen und in der darauf folgenden Assistenzzeit erworben werden. Die FTÄ soll Ausdruck einer wirklich besonderen Qualifikation sein (Stichwort Niveauanhebung). Wenn sie meint, mit dem alleinigen Teilgebiet Chirurgie der Kleintiere am Markt bestehen zu können, soll ihr das möglich sein. Sie soll aber auch die Möglichkeit haben, nach einem entsprechend längeren Weiterbildungsgang den kompletten FTÄ für Kleintiere zu erwerben. Schließlich kann sie aber auch mit oder ohne der kompletten FTÄ Spezialistin für Osteosynthese werden (Voraussetzung TG Chirurgie der Kleintiere) oder Spezialistin für Kardiologie (Voraussetzung TG Innere Medizin der Kleintiere).
In anderen Gebieten läßt sich der in Abbildung 1 dargestellte Aufbau noch besser illustrieren. Beispiel Lebensmittelbereich: Derzeit umfaßt der Bereich die Gebiete Lebensmittelhygiene, Fleischhygiene + Schlachthofwesen und Milchhygiene. Ein großer FTA für LM-Hygiene müßte alle drei Gebiete beherrschen. Die Arbeitsrealität sieht aber meist anders aus. Die Leute sind in einem dieser Bereiche tätig. Selbstredend sind die Bereiche miteinander verwandt. Würde man aber den FTA für LM-Hygiene als Basis der Teilgebiete nehmen, würde das einen entsprechend langen Weiterbildungsgang voraussetzen. Mit der Folge, daß die Kandidatin bei Erwerb des Titels das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat und eine jüngere Lebensmitteltechnologin den Job macht. Hier ist ein kurzer spezialisierter Weiterbildungsgang Voraussetzung für eine sinnvolle Qualifikation. Wiederum soll dies nicht ausschließen, daß diese Person mehrere Teilgebiete erwirbt und damit zur Leiterin einer Untersuchungsstelle avanciert. Ihren Einstieg muß sie heute aber früh finden, sonst ist der Zug abgefahren.
Die Weiterbildung zur Fachtierärztin geht durch das Nadelöhr der Weiterbildungsstätten. Wer Fachtierärztin werden will, kann das nicht überall werden, sondern nur innerhalb der Universitätseinrichtungen und in sogenannten Weiterbildungsstätten, die meist von einer Weiterbildungsberechtigten geleitet werden. Die Anzahl (bezahlter) Arbeitsplätze auf diesem Markt ist gering. Die derzeit geübte Praxis unbezahlter Tätigkeit zum Zwecke der Weiterbildung (Stichwort Anerkennung von Hospitanzzeiten als Weiterbildungszeiten) ist als sittenwidrig und Förderung asozialen Verhaltens abzulehnen. Der Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs ist aber durchaus hoch. Es bieten sich spontan zwei Wege an:
Die Latte für die Anerkennung als Weiterbildungsstätte wird niedriger gelegt, oder die Zeitdauer des Aufenthalts in dieser Stätte vermindert.
Es werden andere Qualifikationsebenen eingezogen, die auch unterhalb der FTÄ eine zusätzliche Qualifikation dokumentieren.
Das erstere kriegen wir später. Die Qualifikation unterhalb der FTA-Ebene könnte beispielsweise ein erweiterter Pool von Zusatzbezeichnungen sein. Deren Erwerb ist zwar an eine fachliche Qualifikation und den Nachweis von Tätigkeit und Fortbildung geknüpft, nicht aber an eine Weiterbildungsstätte. Bisher ist dieser Schritt nur für mehr oder weniger kleine Randgebiete der Tiermedizin vorgesehen. Mit der Zusatzbezeichnung „Hygieneberatung im Lebensmittelbereich“ ist jedoch zumindest in Berlin ein erstes Kernfach mit einer Zusatzqualifikation im Herzen seines Arbeitsgebietes ausgestattet. Die von der BTK (Bundestierärztekammer) jetzt vorgelegte Musterweiterbildungsordnung für die Zusatzbezeichnung Bestandsbetreuung Schwein ist ein weiteres Beispiel und wird kaum das letzte bleiben.
Diese Zusatzbezeichnungen sollen nicht die FTÄ ersetzen, sie sollen aber auch nicht mit der Gießkanne über die Kolleginnen verteilt werden. Ihr Ziel ist es, PraktikerInnen des Berufs (nicht nur praktischen TÄ) die Möglichkeit zu geben, besondere Qualifikationen zu erwerben, ohne durch das Nadelöhr der Weiterbildungsstätten zu müssen. Der breitere Zugang zu solchen Qualifikationen hat auch einen sozialen Aspekt, da die Leute nicht gezwungen sind, ihren Broterwerb aufzugeben, um sich außenwirksam zu qualifizieren. Im Lebensmittelbereich geht es dabei auch darum, schnell eine spezielle Qualifikation zu erwerben und nach außen auch demonstrieren zu dürfen, ohne erst den mühseligen Gang durch die FTÄ-Weiterbildung zu machen. Natürlich sind diese Personen dann auch keine FTÄ.
Zu 2.: Anhebung des Niveaus
Dieses Thema ist immer etwas heikel, suggeriert es doch, das derzeitige Niveau sei eher flach. Dessen ungeachtet muß dem Problem des Wissenszuwachses begegnet werden. Für die Allgemeinpraxis bieten sich Zertifizierungssysteme an. Wie läßt sich das Niveau der FTÄ anheben? Schärfere Prüfungen sind ein üblicher Reflex auf diese Problemstellung. Sie setzen aber eine entsprechende Qualifikation der Prüferinnen voraus. Die weitere Aufteilung von Fachgebieten in Teilgebiete hatte ich oben ja schon erläutert. Das Gebiet ist weniger breit, kann dafür aber vertieft werden. Auch dieses System stößt aber an seine Grenzen, weil es irgendwann zu einer Überspezialisierung bei zu geringer Breite führt (vgl. Miniparzellen bei Erbteilung von landwirtschaftlichen Betrieben).
In der DDR wurde versucht, das Niveau durch die Einführung eines Kurssystems zu verbessern oder aufrechtzuerhalten. Die sich Weiterbildenden mußten einfach noch mal eine Zeit an die Uni zurück. Klingt plausibel. Ist aber aus verschiedenen Gründen nicht unproblematisch: Das Ausmaß an Kompetenz, das an einer Uni versammelt ist, ist begrenzt. Der Karriereweg zum Hochschullehrer setzt eine enorme Spezialisierung voraus und bei der Fülle der Spezialisierungen kommt es zwangsläufig dazu, daß diese nicht alle an einer Uni vertreten sind. Vielleicht sind sie sogar an keiner Uni vertreten. Ersteres Problem läßt sich noch über gemeinsame Veranstaltungen der 5 Fakultäten regeln. Für den Rinderbereich ist so etwas von der Fachgruppe der DVG wohl schon angedacht. Auch in anderen Bereichen gibt es zumindest Gedankenspiele.
Das zweite Problem ließe sich durch die Einbeziehung von externen Spezialisten und nicht zuletzt der sich Weiterbildenden selbst einigermaßen lösen. Das wirbelt natürlich die gute alte Kompetenzhierarchie etwas durcheinander, aber das tut den meisten wahrscheinlich ganz gut. Problematisch erscheint derzeit vor allem die Frage, wann die Hochschulen das machen sollen. Wer jetzt den faulen breitgesessenen Beamtenarsch besingt, sichert sich zwar kurzfristig Beifall, trägt aber kaum zur Lösung des Problems bei.
Selbst guten Willen seitens der Universitäten vorausgesetzt gibt es ein kleines rechtliches Problem. Als ausgesprochen zugangsbeschränktes Fach unterliegt die Tiermedizin den Regelungen der Kapazitätsverordnung (KapVO). Und die sehen vor, daß die Universitäten in erster Linie für die Ausbildung der StudentInnen da sind. Hier können also nicht einfach Ressourcen abgezweigt werden, um die Weiterbildung zu gewährleisten, weil dann natürlich, nicht ohne eine gewisse Logik, eingewandt wird, daß die Fachbereiche offenkundig noch freie Valenzen haben, die sie ja auch der Ausbildung der StudentInnen widmen könnten. Mit anderen Worten: Die Weiterbildung ist nicht kapazitätswirksam und darf eigentlich auch keine Kapazitäten binden, es sei denn … Es sei denn, sie wird als Studiengang eingeführt, etwa wie der neue PhD (Philosophical Doctor (sic!))-Studiengang in Hannover. Ein solcher Studiengang entspricht aber kaum den Anforderungen eines Weiterbildungsganges. Hier gibt es also bei allem guten Willen ein Problem. Selbstverständlich könnte das Kurssystem auch vorwiegend von der ATF (Akademie für tierärztliche Fortbildung) getragen sein und die Hochschulen nur eingebunden werden. Das würde die Kurse für die Universitäten in eine Grauzone verschieben. Sie wären nicht mehr Veranstalter, die Frage der rechtlichen Kapazitätswirksamkeit ließe sich möglicherweise umschiffen, nicht aber die der faktischen Wirksamkeit hinsichtlich Ressourcenverbrauch. Beurteilen läßt sich das alles wohl erst, nachdem es mal probiert worden ist. Es hat durchaus schon Weiterbildungskurse in den Unis gegeben (v.a. im Lebensmittelbereich). Diese bedeuten aber eine außerordentliche Belastung des Apparates der Institute. Andererseits bringen sie für die Institute aber einen Zugewinn, jedenfalls dann, wenn sie auch hochschulfremde Spezialistinnen mit einbinden (inhaltlicher Zugewinn) und kostendeckend durchgeführt werden. Ich möchte an dieser Stelle für ein dezidiertes „Schaumermal“ plädieren. Wenn es nicht geht, müssen wir halt weitersehen. (Stand der Diskussion: Fakultätentag dafür, möchte aber Kapazitätswirksamkeit. Das geht nach Angaben der HRK/Hochschulrektorenkonferenz nicht. Bundestierärztekammer dafür. Detailfragen ungeklärt)
Zu 3.: Aufrechterhaltung des Weiterbildungsstandes
Diese Frage wird in den bisherigen Weiterbildungsregelungen ausgeklammert. Einmal Fachtierärztin immer Fachtierärztin. Daß dies natürlich in Zeiten des Wissenswandels keine zeitgemäße Regelung ist, liegt auf der Hand. Wie also kann der Erhalt der Qualifikation gesichert werden? Auch hier fällt einem wieder spontan die Regelung der Frage über das Prüfungssystem ein. Ob das allerdings wirklich sinnvoll ist, erscheint fraglich, führt es doch nur dazu, daß die FTÄ alle 5 Jahre eine Büffelphase durchleben, um nach wiederum bestandener Prüfung in ihren Alltag zurückzukehren, der davon völlig getrennt ist.
Moderner erscheint da schon das Konzept von Colleges. Dieses könnte ähnlich funktionieren wie der Nachweis von ATF-Fortbildungen und Publikationen für den Erwerb des Fachtierarztes. Jährlich finden Tagungen der FTÄ des jeweiligen Gebietes statt und die Kolleginnen sind dazu verdonnert, mindestens alle zwei Jahre einen Vortrag auf diesen Tagungen zu halten oder wahlweise eine Publikation für eine begutachtete Fachzeitschrift zu verfassen. Dieses System hätte zwei Vorteile. Zum einen ist jede FTÄ gezwungen, sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit der kritischen Diskussion zu stellen, zum anderen wird Wissen aus der beruflichen Praxis in die berufliche Praxis und/ oder die lesende Öffentlichkeit transferiert. Daß der Besuch dieser Tagungen Teil des Weiterbildungsganges ist, versteht sich. Ergänzt werden könnten solche bundesweiten Kongresse natürlich durch regionale Treffen und Workshops. Der Phantasie sind hier vorerst keine Grenzen gesetzt.
Ich habe versucht, in diesem Artikel einige Denkanstöße zur Weiterbildung zu geben. Das Wort Fortbildung kommt nur in definitorischer Abgrenzung vor. Sie steht in der Tat auf einem anderen Blatt und ist auf ihre Weise sogar wichtiger als die nachgewiesene Zusatzqualifikation. Prinzipiell läßt sich einiges vom hier Geschriebenen (Halbwertszeit des Wissens, Notwendigkeit der ständigen Fortbildung) sinngemäß auf die Fortbildung übertragen. Die Frage, ob es denn überhaupt sinnvoll ist, diese Titelwirtschaft zu betreiben, habe ich bewußt ausgeklammert. Es gibt sie und wenn die Möglichkeit des Titelerwerbs die Motivation zur Fort- und Weiterbildung stärkt, soll das auch recht sein. Problematisch ist natürlich der Zugang – wie schon beim Studium. Aber davon an anderer Stelle mehr.
Vor 20 Jahren hat sich die Arbeitsgemeinschaft Kritische Tiermedizin (AGKT) gegründet. Ziel war, das an den Hochschulen sogar unter Tiermedizinern existierende „kritische Potential“ zusammenzuhalten auch über das Studienende hinaus die Isolation der Praktiker aufzubrechen und auch außerhalb der Uni sich als Tiermediziner mit übergreifenden gesellschaftsrelevanten Themen auseinanderzusetzen.
Die Gründungsinitiative ging von den linken hochschulpolitischen Gruppen der vier bundesdeutschen Fakultäten aus und war m.o.w. dominiert von den Basisgruppen, also der sog. undogmatischen Linken. Aber auch die Spackies (MSB Spartakus, für die Jüngeren: der hochschulpolitische Ableger der DKP) und eine Reihe nicht festgelegter Interessierter waren dabei, so dass sich die Diskussion um eine gemeinsame politische Linie als nicht ganz einfach darstellte.
Dennoch entstand in hitzigen Diskussionen ein quasi historisches „Dokument“: die Plattform der AGKT. Erstmals in der jüngeren deutschen Geschichte bekannten sich sogar Tiermedizinerinnen und Tiermediziner zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, und trotz aller politischer Veränderungen hat diese Plattform (leider) auch nach 20 Jahren noch weitgehende Relevanz und ist eine Basis, auf der sich noch heute die (übriggebliebenen) AGKT’ler/innen verstehen und verständigen können.
Die wesentlichen Punkte der Plattform sind:
Anerkennung einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Natur und die Lebensmittelproduktion (u.a. Pharma, ökolog. Landwirtschaft, auch: Ausbau kollektiver Produktionsstrukturen)
Tierschutz, artgemäße Tierhaltung, Minimierung von Tierversuchen
Forschungsorientierung an den menschlichen Bedürfnissen und an der Natur
Ablehnung der Ausbeutung der 3. Welt
Auflösung der Militärblöcke, Demokratisierung , Solidarität mit den nationalen Friedensbewegungen
Die Plattform enthielt ein (heftig diskutiertes) Kapitel Frauen: Abschaffung der Diskriminierung im Beruf und in der Ausbildung, Quoten bei der Stellenvergabe, Verbesserung der Berufschancen u.a. durch Schaffung von Gemeinschaftspraxen und Überdenken der klassischen Rollenverteilungen (bis hierhin alles nachzulesen in der Nullnummer der VETO, Sommer 1982).
Dieser Teil wurde zunächst heftig weiterdiskutiert und ist in seiner endgültigen Form in der VETO 1, Winter 82/83, zu finden.
Die einzige offizielle Ergänzung dieser Plattform war die Aufnahme der sozialen und ökonomischen Probleme der (jungen, nicht etablierten) Tierärzte in die Plattform und die Formulierung des Ziels, sich in allen Landestierärztekammern an der Kammerarbeit zu beteiligen (VETO 6, Sommer 1984)
In der Arbeit der AG, unter anderem dargestellt in 50 Ausgaben der Veto, haben sich viele der oben genannten allgemeinen Forderungen konkretisiert.
Und was ist geblieben, heute, 20 Jahre später?
Die AG hat viel bewegt, viele Themen bearbeitet, und nicht ohne Erfolg, sie hat jeden von uns im Denken, z.T. auch im Handeln beeinflusst.
Wir akupunktieren, setzen uns mit ökologischer Landwirtschaft, konkreter Umsetzung von Tierschutzforderungen und anderen wichtigen Themen auseinander. Was die AGKT nicht geschafft hat, ist, die Vereinzelung, die Isolation im Beruf dauerhaft aufzubrechen.
Seit Jahren werden „wissenschaftliche“ Versuche gemacht, die widerlegen sollen, daß rBST Kühe krank macht. Ohne Erfolg. Der Beipackzettel von POSILAC®, dem in den USA zugelassenen rBST von Monsanto, ist der vorläufig letzte Beweis dafür, daß BST sowohl innerhalb der Herden als auch bei der einzelnen Kuh Krankheiten provoziert. (Veto Nr. 35, S. 27).
Dichtung und Wahrheit
Daß das der Hormonlobby nicht paßt, verwundert nicht. Um Wahrheiten vergessen zu machen, hat sie sich in der Vergangenheit schon manch Wundersames einfallen lassen. So hieß es jahrelang: „Wachstumshormon ist kein Hormon, sondern ein Protein. “ Solch plumpe Verwirrspiele haben aber ihre Adressaten – die den Hormonen abgeneigten Konsumentlnnen – letztlich nicht überzeugen können. „Das hat soviel Wahrheitsgehalt wie: Eine Stachelbeere ist keine Beere, sondern eine Frucht“, so oder ähnlich lautete die Entgegnung auf mancher rBST-Veranstaltung.
Inzwischen lassen sich die Gesundheitsstörungen im Zusammenhang mit rBST nicht mehr unter die Kuh kehren. Zudem dürfte auf einem Beipackzettel die folgende Formulierung unter „General health“ wohl ein Novum darstellen: „Use of POSILAC® is associated with increased frequency of use of medication in cows for mastitis and other health problems. „
Nicht nur rBST macht krank
Wie sich die meisten Wissenschaftler aber um die grundsätzliche Kritik an rBST drücken, demonstriert beispielhaft Prof. Heeschen von der Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel. Er tut sich schwer, rBST für erhöhte Krankheitsraten verantwortlich zu machen. Aber er wird gesprächig, wenn es um die negativen Auswirkungen der Leistungssteigerung auf die Tiergesundheit geht. Das ist Öl auf die Mühlen der Hormonlobby, die nun gebetsmühlenartig wiederholt: „Die Krankheitsprobleme sind keine Folgen des rBST, sondern der Leistungssteigerung.“ Eine offensichtlich geschickte Argumentation, fragen sich doch jetzt selbst nachdenkliche Geister in der Landwirtschaft, wie man denn hier differenzieren könne. Geschickt vor allem, weil darüber vergessen wird, worum es eigentlich geht.
Wir haben auch ohne rBST große Probleme mit der Tiergesundheit. Dies ist die Folge einseitiger Selektion auf Milchleistung: Die als zweiprozentiger Zuchtfortschritt pro Generation definierte Leistungssteigerung hat inzwischen zu einer Verdopplung der Milchleistung pro Laktation geführt, gleichzeitig aber zu einer drei- bis vierfach erhöhten Krankheitshäufigkeit bei Euterentzündungen, Stoffwechselentgleisungen und Fruchtbarkeitsstörungen. Jede neue oder zusätzliche Maßnahme muß sich deshalb daran messen lassen, ob sie zur Reduzierung der Krankheiten und damit auch des Medikamenteneinsatzes beiträgt. Eine Strategie, deren vorrangiges Ziel gar nicht darin liegt, etwas für die Tiergesundheit zu tun, disqualifiziert sich von vornherein selbst.
Kein Forschungsbedarf
Das wissenschaftliche Gerede darüber, wie krank rBST unsere Kühe denn nun genau macht (Angaben in Eiter und Pfennig), lenkt nur vom eigentlichen Problem ab. Auch Professor Pschorn, nunmehr Präsident der Bundestierärztekammer, glänzte Ende Juni mit der Äußerung, so einfach sei das ja gar nicht mit diesen ganzen rBST-Nebenwirkungen, da müsse noch einiges geforscht werden. Überraschend und wohltuend darauf die Entgegnung von Professor Grunert, dem Leiter der Gynäkologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover: Da brauche man gar nicht forschen. Wer wisse, wie es bereits heute um die Kühe bestellt sei, wisse auch schon, was bei rBST herauskomme.
Gesundes Fieber
Aber die Hormonlobby hat noch einige Knackpunkte mehr auf Lager. Auf dem POSILAC®-Beipackzettel findet sich unter „Additional Veterinary Information“ folgende Formulierung: „Care should be taken to differentiate increased body temperature due to use of POSILAC® from an increased body temperature that may occur due to illness. „
Vorsichtiges Differenzieren ist also angesagt zwischen „gesunder“ und „kranker“ Temperaturerhöhung. Noch Fragen? Der Bundesverband für Tiergesundheit (der Interessensverband der Veterinärpharmaindustrie in Deutschland) bietet auch hier Antworten. Die Temperaturerhöhung sei Folge des erhöhten Stoffwechsels. Klingt nicht schlecht. Aber nach dieser Logik hätte die Durchschnittstemperatur unserer Hochleistungskühe in den vergangenen Jahrzehnten um einige Grade steigen müssen.
Alle sind dagegen – aber rBST kommt trotzdem?
Obwohl sich selbst die Bundestierärztekammer (ehem. Deutsche Tierärzteschaft), der Deutsche Bauernverband und Landwirtschaftsminister Borchert dagegen aussprechen, hat die Pharmaindustrie gute Karten für eine rBST-Zulassung. Denn der zuständige Tierarzneimittelausschuß hat rBST „Unbedenklichkeit“ bescheinigt und damit „grünes Licht“ für eine Zulassung nach Ende des Moratoriums im Dezember 1994 gegeben.
Grundlage für diese bereits 1993 gefällte Entscheidung war die EU-Tierarzneimittel-Richtlinie, nach der für eine Zulassung die gewünschten die unerwünschten (Neben)Wirkungen überwiegen müssen. Leistungssteigerer aber werden einzig aus ökonomischen Gründen, und das heißt vor allem ohne jegliche therapeutische Notwendigkeit verabreicht. Bereits 1989 hatte die EG-Kommission bemängelt, daß es für die Zulassung von Leistungssteigerern wie dem rBST gar keine rechtliche Grundlage gäbe. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wenn nur alle sagen, daß sie dagegen sind, aber keiner etwas tut, wird rBST auch in der EU zugelassen werden. Die Deutschen können nun im Rahmen ihrer EU-Ratsführerschaft unter Beweis stellen, wie ernst ihnen ihr „Nein“ wirklich ist.
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