aus Veto 50 – 2007, S. 4-5
Vor 20 Jahren hat sich die Arbeitsgemeinschaft Kritische Tiermedizin (AGKT) gegründet. Ziel war, das an den Hochschulen sogar unter Tiermedizinern existierende „kritische Potential“ zusammenzuhalten auch über das Studienende hinaus die Isolation der Praktiker aufzubrechen und auch außerhalb der Uni sich als Tiermediziner mit übergreifenden gesellschaftsrelevanten Themen auseinanderzusetzen.
Die Gründungsinitiative ging von den linken hochschulpolitischen Gruppen der vier bundesdeutschen Fakultäten aus und war m.o.w. dominiert von den Basisgruppen, also der sog. undogmatischen Linken. Aber auch die Spackies (MSB Spartakus, für die Jüngeren: der hochschulpolitische Ableger der DKP) und eine Reihe nicht festgelegter Interessierter waren dabei, so dass sich die Diskussion um eine gemeinsame politische Linie als nicht ganz einfach darstellte.
Dennoch entstand in hitzigen Diskussionen ein quasi historisches „Dokument“: die Plattform der AGKT. Erstmals in der jüngeren deutschen Geschichte bekannten sich sogar Tiermedizinerinnen und Tiermediziner zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, und trotz aller politischer Veränderungen hat diese Plattform (leider) auch nach 20 Jahren noch weitgehende Relevanz und ist eine Basis, auf der sich noch heute die (übriggebliebenen) AGKT’ler/innen verstehen und verständigen können.
Die wesentlichen Punkte der Plattform sind:
- Anerkennung einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Natur und die Lebensmittelproduktion (u.a. Pharma, ökolog. Landwirtschaft, auch: Ausbau kollektiver Produktionsstrukturen)
- Tierschutz, artgemäße Tierhaltung, Minimierung von Tierversuchen
- Forschungsorientierung an den menschlichen Bedürfnissen und an der Natur
- Ablehnung der Ausbeutung der 3. Welt
- Auflösung der Militärblöcke, Demokratisierung , Solidarität mit den nationalen Friedensbewegungen
Die Plattform enthielt ein (heftig diskutiertes) Kapitel Frauen: Abschaffung der Diskriminierung im Beruf und in der Ausbildung, Quoten bei der Stellenvergabe, Verbesserung der Berufschancen u.a. durch Schaffung von Gemeinschaftspraxen und Überdenken der klassischen Rollenverteilungen (bis hierhin alles nachzulesen in der Nullnummer der VETO, Sommer 1982).
Dieser Teil wurde zunächst heftig weiterdiskutiert und ist in seiner endgültigen Form in der VETO 1, Winter 82/83, zu finden.
Die einzige offizielle Ergänzung dieser Plattform war die Aufnahme der sozialen und ökonomischen Probleme der (jungen, nicht etablierten) Tierärzte in die Plattform und die Formulierung des Ziels, sich in allen Landestierärztekammern an der Kammerarbeit zu beteiligen (VETO 6, Sommer 1984)
In der Arbeit der AG, unter anderem dargestellt in 50 Ausgaben der Veto, haben sich viele der oben genannten allgemeinen Forderungen konkretisiert.
Und was ist geblieben, heute, 20 Jahre später?
Die AG hat viel bewegt, viele Themen bearbeitet, und nicht ohne Erfolg, sie hat jeden von uns im Denken, z.T. auch im Handeln beeinflusst.
Wir akupunktieren, setzen uns mit ökologischer Landwirtschaft, konkreter Umsetzung von Tierschutzforderungen und anderen wichtigen Themen auseinander. Was die AGKT nicht geschafft hat, ist, die Vereinzelung, die Isolation im Beruf dauerhaft aufzubrechen.