aus Veto 47 – 1999, S. 27-29
Montag
Telefon: Herr A. erklärt, sein West-Highland-Terrier hätte gestern ein Kind gebissen (der Hund war natürlich unschuldig), leider sei die letzte Tollwutimpfung 2 Jahre her. Die Eltern des Kindes sind besorgt und wollen wissen, ob ihr Kind nun geimpft werden muß. Herr und Hund werden sofort ins Veterinäramt bestellt, um festzustellen, ob der Hund Anzeichen einer Tollwuterkrankung aufweist.
Post aus dem Fach mitnehmen: Unzählige Aktennotizen, Lebensmittelberichte, Zeitschriften, Erlasse, Verordnungen, Mitteilungen aus dem Europäischen Amtsblatt usw., sollte alles jeder lesen. Faktisch unmöglich, oder es bliebe keine Zeit, überhaupt noch etwas selbst zu arbeiten. Wichtig ist, die Aktennotizen der Kollegen zu lesen, um mitzubekommen, was im Kreis passiert, und um bei Fragen von Betroffenen weiterhelfen zu können.
Der Besitzer mit dem tollwutverdächtigen Hund ist da. Das Tier läuft neugierig herein, springt an der Sekretärin hoch, diese streichelt ihm über den Rücken, und schwupps, schnappt der Hund zu. Zum Glück nicht weiter schlimm, aber immerhin so, daß es leicht blutet. Bis auf die Tatsache, daß das Tier zu fett und völlig unerzogen ist, bestätigt sich der Tollwutverdacht nicht. Der Hund wird für die nächsten zehn Tage unter amtliche Beobachtung gestellt (d.h. kein Kontakt zu anderen Personen und Tieren, kein freies Umherlaufen, auf keinen Fall Impfung, Achten auf Anzeichen einer Tollwuterkrankung).
Nach zehn Tagen muß der Hund erneut vorgestellt werden, ist das Tier weiterhin unverdächtig, wird die amtliche Beobachtung aufgehoben. (Dieser Besitzer hält es nicht für nötig, nach zehn Tagen wieder zu erscheinen, woraufhin er schriftlich kostenfrei erinnert wird.)
Grundsätzlich kann nach der TollwutVO auch anders verfahren werden, da aber diese Region tollwutfrei ist und es sich hier nicht um einen jagdlich geführten Hund handelte, konnte ich so verfahren, mit dem Ergebnis, daß der Hundebesitzer das Ganze überhaupt nicht ernst nahm. Da wir in Bezug auf die Impfung des Kindes aufgrund ‚Nichtzuständigkeit‘ keine Auskunft geben dürfen, verweisen wir immer an das Hospital (beraten aber intern schon).
In der Post: Berichtanforderung durch das Regierungspräsidium: Wieviele Tierheime und Tierpensionen sind im Kreis; Rückmeldung innerhalb einer Woche. Bekannt ist nur ein größeres Tierheim. Grundsätzlich benötigen solche Einrichtungen eine Genehmigung nach dem Tierschutzgesetz (§11), da aber auch z.B. jeder Züchter eine §11 Genehmigung benötigt, sind alle ausgestellten Genehmigungen in mehreren Ordnern zusammengefaßt. Also alle Ordner durchgehen. Das Nachlesen in den Gelben Seiten befördert außerdem völlig neue und interessante Einrichtungen zu Tage. Nach Kontaktaufnahme mit den Besitzern dieser Tierpensionen zeigt sich, daß diese das schon immer so machen, von einer Genehmigungspflicht nichts wissen, aber wir natürlich gerne einmal vorbeikommen können … . Die Adressen werden aufgeschrieben und so bald wie möglich die Haltungen kontrolliert.
Nachkontrolle bei einem Schäferhundehalter: Die Schäferhunde werden einzeln und ohne Sichtkontakt in völlig kahlen Zwingern gehalten. Laut Besitzer kommen sie einzeln tagsüber in den Garten. Er versteht nicht, was gegen seine Hundehaltung einzuwenden ist, die Tiere hätten es doch gut und er würde schließlich sehr viel mehr von Schäferhundezucht verstehen als wir.
Die Hoffnung, ihn bei der letzten Kontrolle überzeugt zu haben, die Haltung zu verbessern, schwindet. Bis auf die Möglichkeit, die Einhaltung der Vorschriften der HundehaltungsVO einzufordern (Schutzhütte etc.), gibt das Tierschutzrecht nichts her; Kettenhunde müssen täglich eine Stunde frei laufen können, Zwingerhunde nicht (mal abgesehen von der Unmöglichkeit, dies überhaupt zu kontrollieren).
Wenn der Züchter mit mehr als drei Hündinnen züchtet, braucht er eine §11 Genehmigung (Sachkunde, artgerechte Unterbringungsmöglichkeiten, Zuverlässigkeit). Angeblich tut er dies nicht (hat aber gleichzeitig Welpen aus vier verschiedenen Würfen da). Mein Vorschlag, ihm eine Buchführungspflicht aufzuerlegen, um festzustellen, mit wievielen Hunden er züchtet, wird aufgrund mangelnder Rechtsgrundlage von der Verwaltung abgelehnt (alle Verwaltungsakte, die den Rechtsunterworfenen belasten, brauchen eine rechtliche Grundlage). Der Vorteil einer Genehmigung wäre gewesen, diese mit bestimmten Haltungsauflagen zu verbinden.
Zurück im Amt: Anruf einer Tierschützerin; vor dem Supermarkt stehen Zirkusleute mit einem Esel und betteln, ist denn so etwas erlaubt?! Antwort: Ja (Tierschützerin mit dieser Auskunft sehr unzufrieden)
Dienstag
Abfassen der Verfügung an den Schäferhundezüchter, um wenigstens die Einhaltung der Vorschriften der HundehaltungsVO zu fordern. Nach Diskussionen mit Kollegen und Verwaltung einigen wir uns darauf, daß er den momentanen Tierbestand dokumentieren muß und wir so bei Nachkontrollen, evtl. anhand der Zuchtbücher, auf die tatsächliche Wurfzahl kommen.
Anruf von einem Bürgermeister: Es werden Schafe an der Straße mit Elektrodraht eingezäunt gehalten. Mehrere Mütter hätten angerufen, ihre Kinder könnten auf dem Schulweg diesen Elektrodraht anfassen und einen Schlag bekommen. Frage: Gibt es eine Vorschrift, daß am Zaun ein Schild ‚Vorsicht Elektrozaun‘ angebracht sein muß? Antwort: Nein, zumindest nicht von unserer Zuständigkeit her, da Schafe im Allgemeinen nicht lesen könnten (kurzes Schweigen, brüllendes Gelächter).
Der Computer hat sich per E-mail einen Virus eingefangen: Der Vormittag ist gelaufen, aber immerhin wird ab jetzt ein Virensuchprogramm vom Landratsamt zur Verfügung gestellt, was wir vorher angeblich ja nicht brauchten.
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Termin mit Landwirt B.: Überprüfung der Rinderkennzeichnung: Das Veterinäramt hat eine Liste von zufällig ausgewählten viehhaltenden Betrieben erhalten, bei denen die Kennzeichnung der Tiere und das Bestandsregister überprüft werden müssen. Die Betriebsinhaber sollen von der Überprüfung nicht informiert werden. Nach kurzer Diskussion einigen wir uns im Amt darauf, uns bei den Betrieben zwei Tage vorher anzukündigen, um ihnen so die Möglichkeit zu geben,
das Bestandsregister zu aktualisieren.
Das Ziel soll letztlich die Einhaltung der Vorschriften der Viehverkehrsverordnung sein, und wenn dies mit Hilfe einer Ankündigung erreicht werden kann, spart sich das Amt müßige Nachkontrollen und die Verärgerung der Landwirte. In diesem Fall fährt Herr B. mit mir zu seinen sechs Scottish-Highländern auf die Weide: das Bestandsregister ist vorbildlich, es ist nur etwas schwierig, an die Tiere nahe genug heranzukommen, um die Ohrmarke ablesen zu können (außerdem haben sie viel zu lange Haare an den Ohren). Aber mit Geduld und Fernglas geht es schließlich. Termin mit Landwirt C., ebenfalls Überprüfung der Rinderkennzeichnung: Herr C. hat kein Verständnis für ‚das Geschiss mit der Rinderkennzeichnung‘, er habe anderes zu tun und kennzeichne seine Rinder nicht wie vorgeschrieben mit spätestens dreißig Tagen, sondern wann ihm es paßt. Da ein vernünftiges Gespräch mit ihm nicht möglich ist (und er auch von früheren Gelegenheiten dem Veterinäramt gut bekannt ist), bekommt er es eben nochmals schriftlich plus Bußgeld und Zwangsgeldandrohung.
Mittwoch
Unterricht an der Landwirtschaftsschule: Während des Winterhalbjahres dürfen die Tierärzte 10 Unterrichtsstunden an der Landwirtschaftsschule geben, inhaltlich sollten dabei die Bereiche übertragbare Krankheiten, Seuchenhygiene und Tierschutz abgedeckt werden. Trotz Vorbereitung fällt es mir nicht leicht, innerhalb von 2 Stunden die Begriffe im Tierschutzgesetz zu erläutern und die einzelnen Verordnungen anzusprechen, bzw. überhaupt ein Bewußtsein für bestimmte Bedürfnisse von Tieren zu schaffen. Frage: Was macht ihr denn mit euren Kümmerern? Antwort: Na, erschlagen natürlich, was denn sonst! Kälber ab dem 8. Lebenstag Rauhfutter geben? Das Fleisch nimmt uns doch kein Metzger mehr ab, erst wenn auch die Franzosen… (Insgesamt hat es aber viel Spaß gemacht und auf den Boden der Realität zurückgeholt)
Kälbermarkt: Im Rahmen der Marktüberwachung (ViehverkehrsVO) werden die Näbel der Kälber kontrolliert und bei der Versteigerung dann alle Veränderungen bekanntgegeben. Seit Kälber im Alter unter 14 Tagen nicht mehr transportiert werden dürfen, ist eine enorme Geburtenzunahme genau 14 Tage vor dem Stattfinden des Kälbermarktes zu verzeichnen. Theoretisch müßten alle Besitzer von Kälbern mit nicht abgeheilten oder entzündeten Näbeln angezeigt werden… .
Termin bei Landwirt D.: Er bekommt wöchentlich Mastschweine aus einem Gebiet, das auf Grund von Wildschweinepest reglementiert ist. Ein Tierarzt kontrolliert die Gesundheit der Schweine bei der Abfahrt und verplombt den Anhänger. Wir müssen uns jeweils schriftlich einen Tag vor der Anlieferung damit einverstanden erklären, daß Schweine aus diesem Gebiet in unserem aufgestallt werden dürfen. Bei Ankunft der Schweine müssen wir den
Transporter entplomben und die Gesundheit und Anzahl der Tiere überprüfen (bis auf den Umstand, daß die meisten Ferkel angeknabberte Ohren haben, sind sie soweit gesund). Nach 14 Tagen ist eine Abschlußuntersuchung notwendig. Leider bin ich auf die
dumme Idee gekommen, die Körpertemperatur zu messen … und nun?!
Verfügung an Landwirt C.: Um seine Rinderkennzeichnung zukünftig sicherzustellen.
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Anruf des Tierschutzvereines: Sie hätten einen Hund gefunden mit einem Teletaktgerät um den Hals. Die Besitzer hätten sich inzwischen gemeldet und ihren Hund wieder abgeholt, aber sie wollten uns doch Bescheid sagen, damit wir etwas gegen das Teletaktgerät unternehmen. Telefongespräch mit den Besitzern: Nein, sie würden das Teletakt nie und auf gar keinen Fall benützen, ihr Halsband sei kaputtgegangen und da hätten sie halt dies umgelegt … .
Reisekostenabrechnung: Ein privater PKW wird für Dienstfahrten vorausgesetzt. Alle Dienstfahrten müssen mit Datum, Uhrzeit, Ort, Kilometerangabe und vor allen Dingen dem entsprechenden Titel angegeben werden. D.h. auf den einen Zettel alle im Bereich Tierseuchen gefahrenen Kilometer, auf dem nächsten die für den Tierschutz und ebenso für Schlachthof/Lebensmittel. Wurden die Bereiche aus Kostenersparnis miteinander verknüpft, muß man halt etwas schummeln (genauso wie beim Schätzen der Arbeitszeiten für die einzelnen Bereiche).
Donnerstag
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Anruf eines Schweinehalters: Er möchte gerne 50 Mastschweine im Freien halten, was es denn da in Zukunft zu beachten gäbe? Hätte ich mich nicht zufällig privat mit der neuen SchweinehaltungshygieneVO befaßt, wäre es wieder ein typisches Beispiel von: Bitte geben Sie mir ihre Telefonnummer, ich rufe Sie zurück.
Lebensmittelkontrolle: Wie war das mit dem Hackfleisch?! Die Herstellung von Geflügelgeschnetzeltem ist nach der HackfleischVO verboten. Macht der Metzger sich jetzt strafbar, wenn der Kunde ihn bittet, das sozusagen bereits gekaufte Geflügelteil klein zu schneiden? Fragen Sie ihren Sachverständigen! Nach der neuen Lebensmittelhygiene VO müssen Betriebe für alle abzugebenden Lebensmittel eine Gefahrenanalyse durchführen, d.h. sie müssen herausfinden, wodurch ihr Lebensmittel so nachteilig beeinflußt werden kann, daß die Gefahr der Schädigung der menschlichen Gesundheit besteht (Verstanden?). Zu diesem Thema gibt es unzählige Veröffentlichungen, Fortbildungen usw.. Entfernt hat es etwas mit
HACCP (Hazard Analyses of Critical Control Points) zu tun, ein inzwischen fast überall verhaßtes Schlagwort bei jeder Lebensmittelkontrolle und Besprechung. Durch falsche Übersetzung und fehlerhafte Interpretation entstanden unzählige und überflüssige Papieransammlungen, in denen ohne Sinn und Verstand alles Mögliche gemessen und dokumentiert wird. Konkret geht selbst bei uns im Amt jeder mit der Umsetzung der neuen LebensmittelhygieneVO sehr unterschiedlich um, je nach eigenem Wissen, Verständnis und individueller Präferenz.
Das Thema auch nur anzusprechen, ist meist in kleinen Betrieben gar nicht möglich, da keine Grundvoraussetzungen bestehen. Z.B., wenn nach 10 Minuten ausführlicher Erläuterungen über Grundhygiene, Histamingehalt in warm gelagertem Thunfisch etc. der Betriebsinhaber sagt: „Ich mache halt Pizza, wo ist euer Problem?“ und ich genau weiß, daß spätestens in einem halben Jahr ein anderer Pizza- oder Gyrosstand hier sein wird, und ich froh sein kann, wenn sprach-
lich überhaupt eine Kommunikation möglich ist.
Unbefriedigende Diskussion im Amt, wie ab Januar die Umsetzung der KälberhaltungsVO erfolgen soll (Anbindeverbot von Kälbern). Anscheinend ist es unmöglich, sich darüber überregional zu verständigen (schon die Regierungspräsidiums-Ebene wird angezweifelt), da ja jedes Amt örtlich zuständig ist und daher nach eigenem Ermessen handelt.
Freitag
Termin mit Landwirt D.: Nach der Brucellose- und Leukose-Verordnung muß regelmäßig überprüft werden, ob ein Rinderbestand frei von diesen Krankheiten ist. Bei milchliefernden Betrieben ist dies über Tankmilchproben möglich, schwieriger wird es bei Mutterkuhhaltungen, an die Blutproben zu kommen.
Ein Teil wird von den Hoftierärzten genommen, überall dort, wo es komplizierter wird und keine Fangeinrichtungen vorhanden sind, dürfen die Amtstierärzte ihr Glück versuchen. Dieser Landwirt hat für seine ‚Scottish Highland‘-Rinder nun endlich eine Fangeinrichtung gebaut, in der die langen Hörner nicht hängenbleiben können und es läuft einigermaßen glücklich ab.
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Einschalten des Anrufbeantworters.
Wochenende
(2-3 x tägliches Abhören des Anrufbeantworters, ob irgendeine Seuche ausgebrochen ist, Lebensmittel vergiftet oder Tiere gequält wurden)
eine Amtstierärztin