Irgendwie pack ich es immer!

aus Veto Nr. 3, Sommer 1983 – Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft Kritische Tiermedizin (AGKT) 

Maria Gräfin von Maltzan

Frage:         Wie kamen Sie zum Widerstand ?

Antwort:     Durch Zufall gerät man rein, und dann steckt man drin und macht einfach weiter! 


Diese Antwort gab uns Maria Gräfin von Maltzan in einem Gespräch, das wir als Frauengruppe jetzt im Juni mit ihr führten.

Daß es nicht nur Zufall war, der sie dazu brachte, im ab Februar 1943 als „judenfrei“ geltenden Berlin, Juden in ihrer und in anderen Wohnungen unterzubringen, sie über die Grenze zu führen, Informationen von den Nazis zu erschleichen, Lebensmittel zu verschieben, den Verhören der Gestapo zu widerstehen, Deserteure zu Kriegsende „erkranken“ zu lassen und kranke Untergetauchte ärztlich zu versorgen, das wollen wir versuchen zu beschreiben.

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Aufgewachsen auf dem Lande – jedoch nicht wie ich und du – sondern ihrer Herkunft entsprechend in einem Schloß in Mittelschlesien (Militsch an der Strecke Oels-Gnesen). In ihrer großen Familie fühlte sie sich schon von Kindheit an zu den Tieren mehr hingezogen als zu ihren Geschwistern. Ja auch mit ihrer Mutter, deren ganze Liebe und Fürsorge ihrem einzigen Sohn galt („Kronprinz…“), kam sie nicht zurecht.

Durch ihr uneingeschränktes Bemühen um die Tiere konkretisierte sich ihr Berufswunsch „Tierärztin“ immer mehr, bis es schließlich keine andere Alternative mehr für sie gab. („Für die Kreatur in Not absolut da sein.“)

Da die Familie ihr die Finanzierung des Tiermedizinstudiums verweigerte („…wenn schon Arzt, dann doch lieber Human-Arzt“), studierte sie zunächst Naturwissenschaften in Breslau und München, wo sie dann promovierte. Erst nach dem Tode der Eltern, als sie über eigenes Geld verfügte, begann sie in Berlin Tiermedizin zu studieren. „Meine Mutter starb 1934, da war der eine Widerstand weg – und mit 21 Jahren hatte ich eigenes Geld, denn mein Vater ist sehr früh gestorben.“

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Hier in Berlin hatten sich die Lebens- und Überlebensmöglichkeiten der Juden rapide verschlechtert. Ab Oktober ’40 wurden die ersten Gruppen von Juden deportiert; die „Verordnung zum Tragen des gelben Sterns“ im September ’41 zwang die Juden aus ihrer relativen Anonymität heraus, so daß sie in der Öffentlichkeit jetzt vor Diffamierungen und Denunziationen nicht mehr sicher waren. Die längst Enteigneten wurden in sogenannten „Judenhäusern“ zusammengefaßt – Sammelstellen zum Zwecke der Deportationen. In dieser Situation versuchten viele Verfolgte unterzutauchen.

Die Studentin von Maltzan quartierte im Februar 1942 ihren jüdischen Freund Hans Hirschel in ihrer Wohnung ein. Im Laufe der Zeit entwickelte sich diese Wohnung in der Detmolder Straße immer mehr zu einem Schlupfwinkel und Treffpunkt für viele Verfolgte; zeitweise übernachteten dort bis zu 20 Menschen.

Zusammen mit Mitgliedern der schwedischen Kirche organisierte Frau von Maltzan bis Kriegsende die Unterbringung oder die Flucht von Juden und politisch Verfolgten.

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Frage: Hatten sie eigentlich oft Angst – damals während des Krieges? 
v. Maltzan: Eigentlich nicht. Dazu hatte ich gar keine Zeit. Denn wenn Sie anfangen, sich mit der Angst auseinanderzusetzen, dann hören Sie auf, logisch zu denken. Da ist der Moment, wo was passiert. Ich bin sowieso ein Mensch, der – sagen wir einmal – von Hause aus sehr unängstlich ist. In dem Moment, wo Sie Schrecksekunden und sowas haben, sind Sie ja viel gefährdeter, wie ein anderer. In dem Moment, wo Angst Sie beherrscht, sind sie ja jemand, der nicht mehr nüchtern denken kann. 
Frage: Aber Sie mußten doch auch lernen, mit der Angst zu leben? 
v. Maltzan: Naja, natürlich! Es waren ja auch manchmal noch andere im Haus. Ich weiß, wir haben öfter wirklich einen Schreck gekriegt, wenn es an der Tür klopfte. 
Frage: Nun hatten Sie ja aber auch sehr viel Glück. 
v. Maltzan: Ja nun, natürlich hat man auch Glück, aber sehen Sie, es sind immer dieselben Leute, die Unglück haben, und dieselben Leute, die Glück haben – wenn Sie’s genau ansehen. 
Ich finde, es gibt einen gewissen idiotischen Mut. Zum Beispiel, es gab im Krieg furchtbar tapfere Leute, und ich weiß nicht, wieviele von ihnen sich haben verheizen lassen – und andere mit verheizt haben.

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Daß Frau von Maltzan jahrelang unentdeckt illegal arbeiten konnte, verdankt sie sicher nicht nur dem Glück, sondern auch ihrer Cleverness und ihrem forschen und provokanten Auftreten den Behörden gegenüber.

Zur Frage der Taktik: 
v. Maltzan: Ja nun, wissen Sie, wenn sie nie provozieren und immer Dünndruck machen, sind sie viel suspekter, als wenn Sie mal ganz unverschämt sind. 
Also, z.B. wenn die Gestapo mich vorlud, was hin und wieder mal passierte, und sie sagten, ich müßte Montag kommen, dann rief ich die Gestapo an und sagte: „Montag kann ich nicht. Ich habe keine Zeit.“ Ich sagte, „Ich arbeite beim Tierschutz, Fleischbeschau, das geht nicht!“ 
„Können Sie Dienstag?“ „Nein!“ Dann ging ich Freitag. Einer mit Dreck am Stecken geht Montag, der will das hinter sich bringen. So denken die auch! Das sind einfach psychologische Momente, die man ein bißchen einbauen muß.

Ich will Ihnen etwas sagen, ich sehe immer die Komik in einem Moment. 
Ich hatte einmal ein fürchterliches Verhör bei dem General von Oitmann, der mir sagte: „Gräfin von Maltzan, wir sprechen jetzt einmal unter vier Augen.“ Dieser Mann hatte nur eins. Im Grunde genommen saß bei mir nur die Heiterkeit im Nacken. Konnte er nicht sagen, „Wir reden unter drei Augen“? Sein blödes Glasauge wurde mit einbezogen.

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Wie sich für uns immer wieder zeigt, hat Frau von Maltzan ihren Humor während dieser bedrohlichen Zeit nicht verloren; ja sie hat sogar komische Situationen provoziert, um die Lächerlichkeit einzelner Nazis herauszustellen.

v. Maltzan: Einmal haben wir noch was Herrliches gemacht. Da waren wir bei Reich, das war unsere Stammkneipe am Nürnberger Platz. Ein Freund von mir, das war ein bekannter Keramiker, der gut geigte, und wir hatten kein Geld. Da sag ich: „Weißte was? Wir müssen jetzt Geld sammeln. Da drüben ist eine wahnsinnig elegante Bar – wir gehen da beide rein. Du spielst Geige und ich sammle dann.“ Da hab ich doch die Frechheit gehabt, mit diesem Hütchen rumzugehen und für die SPD zu sammeln (Anmerkung: Die SPD war seit 1933 verboten). Das fanden die Leute irre komisch – da war Partei da (NSDAP, Anm.) – sie fanden es großartig, und alle schmissen ihr Geld rein. So konnten wir ein paar Stunden weiterfeiern.

Ein anderes Mal erschien mal die SA bei uns in der Kneipe. Und mit ihrem „Sieg Heil. Sieg Heil!“, das ging uns maßlos auf die Nerven. Und bei uns war immer der Zeichner, der Schäfer-Ast. Da sag ich, „Weißt Du, jetzt machen wir folgendes: wenn der Schäfer-Ast reinkommt, dann stehn wir alle auf und schreien „Schäfer-Ast. Schäfer-Ast!“. Naja, die ganze Formation steht auf und schreit „Schäfer-Ast!“ … Arg bedrückte Gesichter … Dann kam ein Parlamentär an unseren Tisch: das ginge nicht! Dann haben sie mich als Parlamentär zurückgeschickt, und dann sag ich: „Hören sie mals zu, das ist kein Plagiat. Wenn einer plagiert, dann sind Sie es. Wir machen das schon seit 1912!“ Und das glaubte der mir noch! 1912 war ich drei! 
Ich meine, das sind ja auch Sachen, die ganz heiter sind, nicht?

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Frau von Maltzan gelang es auch, durch ihre humorvoll-freches Auftreten bestimmten lästigen Anordnungen zu entgehen. 
Eines Tages wurde die Anordnung erlassen, daß alle Bediensteten (sie war zu der Zeit neben ihrer Arbeit noch der Briefzensur zugeteilt), Heeresmasken ständig  bei sich führen sollten. Als erstes brachte sie einen Haken unter der Platte des Bürotisches an und hing die Gasmaske dort auf. „Da konnte sie prachtvoll ruhen! So gut macht keiner sauber, daß er sie findet“. Morgens vor dem Dienstgebäude fragte Leutnant R. nach ihrer Gasmaske. Frau von Maltzan hatte den Gepäckträger ihres Rades vorher so präpariert, daß durch die Befestigung eines Drahtes der Deckel etwas hoch stand. Sie tat, als nähme sie die Maske heraus und legte die – nicht vorhandene – Maske über die Schulter und ging. Leutnant R. schaute ihr verblüfft nach. Keine zehn Minuten später war Gasmasken-Appell! Frau von Maltzan konnte ihre Gasmaske stolz vorweisen. 
Nach Dienstschluß wartete Leutnant R. wieder auf sie und verlangte, die Gasmaske zu sehen. Sie zeigte auf ihre Schulter, auf der sich nichts befand, ging zum Rad und befestigte „nichts“ auf dem Gepäckträger. 
Dieses Spiel ging eine Woche lang, dann wurde sie zum Major befohlen, der sie fragte, wie sie ihre Gasmaske befördere. Frau von Maltzan: „Über der Schulter wie jeder!“ Der Major wandte ein: „Herr R. sieht sie nicht!“ Sie: „Dafür kann ich nicht!“. Danach kam Herr R. zu ihr: „Vertrauen Sie mir doch einmal an, was Sie mit der Maske machen“. Ernst, ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte Frau von Maltzan: „Sehen Sie, ich komme aus einer sehr alten Familie. In der wird eine Tarnkappe für Gegenstände vererbt!“.

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Aber auch die uniformierten Frauen hatten es nicht leicht, mit der direkten Art der Gräfin zurecht zu kommen.

v. Maltzan: Ich war ja, ehe ich studierte, beim Roten Kreuz, und wir trugen ja Uniformen damals. Und ich hatte also eine Vorgesetzte, die ewig auf mich wütend war, und eines Tages brach es aus ihr heraus: „Ich weiß nicht, Ihre Blusen und Ihre Schlipse! Das sieht alles so gut aus! Das kann ich nicht verstehen, können Sie mir nicht sagen, warum?“ 
Da hab ich in meiner Unverschämtheit gesagt: „Das ist gottgewollt“ Der Schlips liegt senkrecht bei mir und bei Ihnen sitzt er waagerecht – wie ein Hering zwischen zwei Wellen. Das sieht nicht gut aus“ 
Das hat sie furchtbar übel genommen. Ich wurde dann auch versetzt.

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Ihre Arbeit auf dem Berliner Schlachthof, zu der sie neben der Arbeit im Tierheim Lankwitz dienstverpflichtet wurde, brachte ihr nicht nur Geld, sondern auch die Möglichkeit, an ein so begehrtes und rar gewordenes Lebensmittel wie Fleisch heranzukommen. Dabei kam ihr ihr gutes und kollegiales Verhältnis zu den Schlachtern zur Hilfe. („… das war eine gute Rote Zelle!“).

v. Maltzan: Und da hatten wir einmal einen riesen Posten Schweine geschlachtet – für die SS. Und ich meuterte schon die ganze Zeit. Und da sagte der eine: „Halt doch mal die Klappe. Die sind doch noch gar nicht abgegangen!“ Und da hatten wir sieben Waggons Speck gepackt. Das war am Freitag oder Samstag. 
Ich komm am Montag auf den Schlachthof, da ist die Gestapo und die Kriminalpolizei. Ich will da rein gehen. „Sie dürfen da nicht rein!“ „Ich muß hier rein, ich arbeite hier!“ 
…… Und ich hatte einen Stempler Kurt, der einer der besten Diebe war, die ich je gesehen hatte. Der ist nie erwischt worden. Ich weiß nicht, ich habe mich gewundert. 
„Frau Doktor, ich muß klauen. Ich hab zu Hause einen Kerzenladen und Kerzen kann man nicht fressen!“ 
Ich fand das einleuchtend – und Seife schmeckt ja auch nicht sehr …… 
Ich sag: „Kurt, was ist passiert?“ „Die sieben Waggons Speck sind verschwunden.“ 
Und das im Jahre ’44! Die sind nie wiedergefunden worden.

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Frage: Mich wundert immer noch, daß Sie doch relativ unentdeckt da raus gekommen sind – wo es doch für alle offensichtlich war. 
v. Maltzan: Ja und nein, nicht? Man war ja schon vorsichtig. Nun konnte ich ja den Leuten beweisen, daß ich auch gar keine Zeit hatte. Morgens war ich an der Universität, bin dann auch abends noch an die Uni arbeiten gegangen. Was meinen Sie, wann ich das gemacht haben soll? Das war doch sehr überzeugend, nicht? Daß ich manchmal 20 Stunden auf den Beinen waren, das glaubte keiner.

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Frage: Während der ganzen Zeit, wo Sie Biologie studiert haben, war da wirklich klar, daß Sie anschließend Tiermedizin machen? War das sicher? 
v. Maltzan: Hier in Berlin? Ja, aber natürlich, das war ganz selbstverständlich. 
Frage: Stimmt es, daß mit dem Aufkommen der Nazis sehr bald den Frauen die Zulassung zum Veterinär-Studium verwehrt wurde? 
v. Maltzan: Hier in Berlin nicht. 
Frage: Aber an den anderen Fakultäten? 
v. Maltzan: Das kann ich Ihnen nicht sagen. 
Frage: Wie haben die Professoren darauf reagiert, daß sie als Frau ein zweites Studium anfingen? Da gibt es doch auch so Argumente: „Sie heiraten doch sowieso.“ usw. 
v. Maltzan: Ich weiß noch, der eine Professor, der mich fragte: „Warum sind Sie nicht verheiratet?“ Sag ich: „Meine Jahrgänge liegen in Rußlands Erde!“ 
Das ist natürlich eine peinliche Antwort.

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Frage: Sie haben während des Krieges auch Abtreibungen gemacht? 
v. Maltzan: Ja. Na selbstverständlich, also das war damals sehr gefragt! 
Dann hat mich nach dem Kriege doch ein Stinkstiefel angezeigt. Da hatte ich einen Gerichtsgang. Und hatten einen alten Richter, der fragte: „Haben Sie’s getan?“ Sag ich: „Ja“. 
„Ja Sie wissen doch, daß es verboten war.“ Sag ich: „Ja Herr Richter, aber ich sage Ihnen eines bindend: in der gleichen Situation, wo Frauen gefährdet waren, ins KZ zu kommen, würde ich es jederzeit wieder tun. Ich habe nicht das geringste Gewissen dafür.“ 
Er hat mich dann freigesprochen. Er hat gesagt; „Es ist einfach sozusagen ein Notstand – in dem Moment.“ 
Frage: Das mit dem KZ verstehe ich nicht? 
v. Maltzan: Wir wußten ganz genau, daß, wenn eine schwanger ins KZ kam, daß sie die Geburt nicht überstand – oder, wenn sie sie überstand, hinterher starb. 
Eine Freundin ist im KZ gewesen. Die hat ein Kind gekriegt – in Ravensbrück. Da kriegte sie eben ein Bündel „Völkischer Beobachter“ untern Arm und wurde in die Toilette gesperrt, bis sie fertig war. Hat sich kein Mensch drum gekümmert, nicht? 
Sie ist dann auch hinterher gestorben. 
Frage: Es haben ja bestimmt viele Leute Abtreibungen gemacht, die heute aber nicht mehr dazu stehen. 
v. Maltzan: Ich habe in dem Sinne keine Abtreibungen gemacht; ich hab die Einleitungen gemacht, und wenn die schweren Blutungen kamen, das haben wir dann so arrangiert, daß ein normaler Arzt die Ausschabung machte. 
Frage: Aber das war dann einer, den Sie kannten? 
v. Maltzan: Jaja, da mußte man ja ein bißchen vorsichtig sein. Das kostete ja den Kopf! 
Man lief ja eigentlich mit dem Kopf in der Aktentasche spazieren.

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Frage: Und nach dem Kriege gingen Sie nach Westdeutschland und machten Vertretungen? 
v. Maltzan: Ja, in Großtierpraxen – als vertretender Tierarzt. Da war ich zum Teil ganz oft und sehr gern in Ostfriesland. 
Frage: Und wie kamen Sie denn so mit den Bauern zurecht? 
v. Maltzan: Da kam ich gut hin, ich bin ja im Bäuerlichen aufgewachsen. 
Die Ostfriesen waren zuerst recht skeptisch. Ich kam in den Stall, die Kuh stank nach Aceton, da sag ich: „Da machen wir das und das!“ Da sagte der Bauer: „Nein!“ Da sag ich: „Denn nicht!“ Dann nahm ich mein Köfferchen. Ein ostfriesischer Bauer hat noch nie so schnell Schlußlichter gesehen. Da hat er angerufen bei dem Praxisbesitzer: „Ob die wohl wiederkommt? Es geht der Kuh schlecht!“ Da sagt der Tierarzt: „Ich würde Euch raten, der nicht dumm zu kommen. Die fährt sofort weg!“ Und das hatte sich sehr gut rumgesprochen. 
Frage: Ja, und dann hatten Sie auch wohl Erfolg? 
v. Maltzan: Ja, nun mache ich gute Geburten. Frauen machen meistens gute Geburten, weil sie nicht gegen die Wehen arbeiten. Da erleben Sie auf dem Lande feine Sachen. 
Frage: Aber Sie haben niemals den Gedanken gehabt, sich irgendwo als Großtierpraktikerin festzusetzen? 
v. Maltzan: Nein, denn irgendwann wird einer Frau in der Großtierpraxis eher die Grenze gesetzt als in einer Kleintierpraxis.

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In den 50er Jahren fuhr Frau von Maltzan für lange Zeit bei einem Zirkus mit. Es war Zufall, der sie dorthin brachte oder besser gesagt: eine Tigermutter, die ihre Jungen nicht annahm. Diese zog Frau von Maltzan groß und wurde dadurch in Zirkuskreisen bekannt. 
Obwohl die Arbeit als Zirkustierärztin sehr hart war, war diese Zeit für sie auch sehr schön: 
„Wenn Sie in den Zirkus integriert sind und die Leute mögen, ist es ein großartiges Zusammenarbeiten und Zusammensein.“ 

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Frage: Wollten Sie eigentlich nicht noch mal Kinder haben? 
v. Maltzan: Ich hab einen Sohn geboren – im Krieg. Und nach dem Krieg waren wir wirklich ausgehungert, da sich die Kinder einem aus dem Bauch gefallen. Ich hätte gern Kinder gehabt – selbstverständlich. 
Frage: Und Sie meinen, Sie hätten die auch untergebracht – in  dem Beruf? 
v. Maltzan: Ja, alles. Selbstverständlich, denn wenn Sie arbeiten, dann können Sie es sich auch leisten, jemanden zu bezahlen, der tagsüber auf die Kinder aufpaßt – und es gibt ja auch Kindergärten. 
Frage: Sie meinten vorhin, daß wir Frauen schon einigermaßen Persönlichkeiten sein müssen, um uns durchzusetzen? 
v. Maltzan: Ja, das ist ja nun eigentlich in jedem Beruf. Im Grunde genommen wird in dem gleichen Beruf von der Frau immer mehr verlangt wie vom Mann. Noch  ist es so! 
Frage: Wenn sie sagen „Noch ist es so“, sehen Sie da eine Entwicklung? 
v. Maltzan: Das kommt auf die Generation der kommenden Frauen an. Nicht auf uns. 
Frage: Und in der Zeitspanne, die Sie jetzt gesehen haben – als Frau? 
v. Maltzan: Ja wissen Sie, ich will Ihnen was sagen. Eine gewisse männliche Arroganz wird ja den meisten Jungen von den Eltern eingeimpft. 
Frage: Die Frauen schaffen es ja auch, z.T. aus ihrer Rolle herauszukommen. 
v. Maltzan: Wissen Sie, das ist immer eine Frage der eigenen Persönlichkeit. Das ist wohl immer so, nicht? 
Frage: Bedingt dadurch, daß einfach keine Männer da waren im Kriege und in der Nachkriegszeit, da waren viele Frauen ziemlich selbständig. 
v. Maltzan: Ja sicher! 
Frage: Wie erklären Sie sich dann, daß das dann wieder so umgeschlagen ist? 
v. Maltzan: Das liegt an den Frauen selber.

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Frage: Waren Sie eigentlich damals, oder sind Sie heute in einer politischen Partei oder Gruppierung? 
v. Maltzan: Ich bin nie in einer Partei gewesen. Ach wissen Sie, diese Parteiabende! Da wird so fürchterlich dummes Zeug geredet – da bin ich so ungeeignet für. 
Frage: Was machen Sie heute? 
v. Maltzan: Ich bin im Januar mit meiner Praxis von Charlottenburg nach Kreuzberg übergesiedelt. Und es gefällt mir da recht gut.

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Und dann erzählt die heute 74-jährige Begebenheiten aus ihrer „besetzten“ Nachbarschaft: „Möbel raus, Möbel rein! So gehen die (die Polizei, Anm.) heute mit Steuergeldern um!“

Und was macht sie sonst so? 
Na, im Moment wird sie viel eingeladen, Fernsehen, Radio, schreibende Presse, bekommt aufgrund der Veröffentlichung des Buches (siehe unten) viel Post, die sie auch beantworten muß und will. 
Und ab und zu besucht sie, ihren Affen auf der Schulter, den Mastino „Blümchen“ an der Leine, den alternativen Bauernhof an der Mauer und erfreut sich an den Hängebauchschweinen.

 
Maria Gräfin von Maltzan 1983 


Leonard Gross 
Versteckt 
Wie Juden in Berlin die Nazi-Zeit überlebten 

„Während der Arbeit an diesem Buch“, schreibt der Autor, 
„ist mir klargeworden, daß kaum ein größeres Wunder denkbar ist, 
als das Überleben eines Juden während der letzten Jahre 
des Zweiten Weltkrieges in Berlin“. 
Rowohlt, 1983, 380 S.; 36,- DM 


TERROR gegen die Juden

15.09.35     Reichsparteitag der NSDAP. Der Reichstag beschließt auf einer Sondersitzung die anti-semitischen „Nürnberger Gesetze“, das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“. Sie sind die Grundlage für die Ausschaltung der Juden aus allen öffentlichen Arbeitsverhältnissen und für die Deklassierung der jüdischen Bürger in ihren politischen Rechten. 
14.11.35     1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz: Aberkennung des Wahlrechts und der öffentlichen Ämter; Entlassung aller jüdischen Beamten, einschließlich aller Frontkämpfer. Definition des „Juden“. 
1. Verordnung zum Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre: 
Verbot der Eheschließung zwischen Juden und Nichtjuden. Die Arbeitsmöglichkeiten für Juden werden auf ganz wenige Berufszweige eingeengt. 
Jüdische Kinder dürfen bald mit anderen Kindern nicht mehr denselben Sportplatz oder die Umkleidekabinen benutzen. 
05.10.38     Verordnung über Reisepässe: Einziehung der Pässe und (erschwerte) Neuausgabe mit  Kennzeichen „J“. 
9./10.11.38 Reichspogrom-Nacht: Staatlich organisierter Pogrom gegen die Juden in Deutschland: Zerstörung von Synagogen, Geschäften, Wohnhäusern. Verhaftung von über 26.000 männlichen Juden und Einweisung in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen. Mindestens 91 Juden werden getötet. 
28.11.38     Polizeiverordnung über das Auftreten der Juden in der Öffentlichkeit; Einschränkung der Bewegungsfreiheit etc. 
03.12.38     Einziehung der Fahrerlaubnisse. Schaffung eines „Judenbanns“ in Berlin. 
17.01.39     Verordnung über das Erlöschen der Zulassung von jüdischen Zahnärzten, Tierärzten  und Apothekern. 
30.01.39     Hitler prophezeit vor dem Reichstag für den Fall eines Krieges „die Vernichtung der  jüdischen Rasse in Europa“. 
01.09.39     Deutscher Angriff auf Polen: Beginn des Zweiten Weltkrieges. Zahlreiche Pogrome in  Polen. 
 In Deutschland Ausgangsbeschränkungen für Juden (im Sommer ab 21 Uhr, im Winter  ab 20 Uhr). 
23.09.39     Beschlagnahme der Rundfunktgeräte bei Juden. 
31.07.41     Göring beauftragt Heydrich mit der Evakuierung aller europäischen Juden. Beginn der  „Endlösung“. 
01.09.41     Polizeiverordnung über Einführung des Judensterns im Reich ab 19.9. für alle Juden  vom 6. Lebensjahr an. 
23.10.41     Verbot der Auswanderung von Juden. 
25.11.41     Verordnung über Einziehung jüdischen Vermögens bei Deportation. 
20.01.42     „Wannsee-Konferenz“ über die Deportation und Ausrottung des europäischen Judentums  („Endlösung“). 
24.04.42     Verbot der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Juden im Reich. Ausnahmen für Zwangsarbeiter nur, wenn der Arbeitsplatz mehr als 7 km vom Wohnort entfernt ist. Sitzen in den Verkehrsmitteln verboten. 
(Weitere Einschränkungen im Laufe des Krieges: Es war Juden u.a. verboten, sich öffentlicher Fernsprecher und Fahrkartenautomaten zu bedienen, sich auf Bahnhöfen aufzuhalten und Gaststätten zu besuchen; Wälder und Grünanlagen zu betreten; sich Hunde, Katzen, Vögel oder andere Haustiere zu halten; an „arische“ Handwerksbetriebe Aufträge zu geben; Zeitungen und Zeitschriften aller Art zu beziehen. Entschädigungslos abgeliefert werden mußten elektrische und optische Geräte, Fahrräder, Schreibmaschinen, Pelze und Wollsachen. Juden erhielten keine Fischwaren, Fleischkarten, Kleiderkarten, Milchkarten, Raucherkarten, kein Weißbrot, kein Obst oder Obstkonserven, keine Süßwaren und keine Rasierseife). 
30.06.42     Schließung der jüdischen Schulen im Deutschen Reich. 
26.05.42     Bekanntmachung über die Kennzeichnung jüdischer Wohnungen im Deutschen Reich. 
04.10.42     Die deutschen Konzentrationslager werden „judenfrei“: alle jüdischen Häftlinge werden  nach Auschwitz geschickt. 
18.10.42     Das Reichsjustizministerium überträgt die Verantwortung für Juden und Ostbürger im  Reich der Gestapo.

Veto 45

Bitte ein Bit!

Diese Veto hat lange gebraucht von der Redaktionskonferenz bis zur Realisierung. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens sind zwei Layouterinnen nicht eben viel und zweitens haben wir technisch den großen Sprung nach vorn gewagt und uns von „Fixogum“ und Layoutbögen verabschiedet. Bits und Bites bestimmen das Gesicht dieser Veto. Sprung nach vorn ist dabei stark euphemistisch ausgedrückt. Es war mehr ein Stolpern über diverse Hürden aus Hard- und Software. Wir haben uns zwischendurch mit einem Soziologen verglichen, der eine Katze kastriert. Wenn man’s kann, ist es ganz einfach, aber wenn man nicht mal, weiß was Eierstöcke sind?

Wie dem auch sein, jetzt ist diese VETO, immerhin die 45ste (wer hätte das am Anfang gedacht), fertig. Eigentlich ständen den Layouterinnen die Bahhamas zu. Stattdessen ist Anfang März die nächste Redaktionssitzung und was danach kommt, wissen wir ja…

Schwerpunkt Gentechnik

Diese Veto hat den Schwerpunkt Gentechnik. Das Treffen in Hannover (s. Protokoll) war das zweite in Folge zu diesem Thema. Nach der sehr breiten, wenig zielgerichteten Diskussion in Berlin sollten Erika Feyerabend und Christoph Then auf dem Treffen durch Vorträge Akzente setzen und die Diskussion inhaltlich voranbringen. Was sie zu sagen hatten, ist hier zu lesen. Daneben auch das, was andere AGlerInnen zum Thema meinten. Die Diskussion dazu wird nicht so schnell abgeschlossen sein.

Neben den 5 Beiträgen zum Schwerpunkt enthält diese Veto eine Fülle von Beiträgen zu verschiedenen Themen, die meist in vorangegangenen Vetos schon angeklungen sind, oder aber auf die nächsten VETOs verweisen. Zwei Artikel befassen sich erneut mit der Nutzgefügelhaltung. Carola Taubert und Andrea Sattler sehen sich die konventionelle Putenhaltung unter dem Tierschutzgesichtspunkt an und stellen fest, daß nicht nur die Haltung sondern auch die Putenzucht selbst tierschutzrelevant ist. Eines ohne das andere zu verändern bringt kaum Vorteile. Andreas Briese stellt die Richtlinien des Landes Niedersachsen zur Hühnerhaltung dar, die er bei allen Kompromissen für einen großen Fortschritt hält.

Mit offizieller Seuchenpolitik befassen sich ebenfalls zwei Beiträge. Die Absurdität der BSE-Politik zeigt Wolfram Schön auf. Daneben dokumentieren wir eine Stellungnahme der Gesellschaft für ökologische Tierhaltung zur neuen Schweinehygiene Verordnung.
Die Reihe über Alternative Heilmethoden wird mit Beiträgen über ausleitende Methoden und die Bach-Blütentherapie fortgesetzt.

Einen Vorgeschmack auf die übernächste VETO (Nr. 47) bietet der Beitrag von Matthias Link über vermeintliche Therapienotstände in der Nutztiermedizin und ihre Ursachen. Mit der abschließenden Umsetzung des Arzneimittelgesetzes kommt hier eine erhebliche Bewegung in die Debatte. Es wird versuchtdenVerbraucherInnenschutzgegendieArzneimittel- sicherheit auszuspielen.

Veto pleite?

Die finanzielle Situation der VETO hat sich weiter zuge- spitzt. So kann es nicht mehr länger weitergehen. Auf dem letzten AG-Treffen konnte das Ende der VETO nur durch eine eilige Spendenaktion verhindert werden. Die Einnahmen aus dem Verkauf decken die Druckkosten nicht mehr. Es ist also nicht klar, ob diese VETO nicht vielleicht die letzte ist. Die VETO braucht GELD und LESERINNEN (das sie auch Autorinnen und Layouterinnen braucht steht auf einem an- deren Blatt). Um zu erkunden, was an der VETO nicht gefällt liegt dieser VETO ein Fragebogen zu Form und Inhalt der VETO bei. Wir hoffen dabei auf jede Menge konstruktive Kritik. Schreibt uns, was Euch gefällt und was nicht. Wichtiger noch, erzählt den anderen, was Euch gefällt, damit auch sie in den Genuß der VETO kommen. Es gibt viele Möglichkeiten den Bestand der VETO zu sichern. Lieber als Spenden, die natürlich auch willkommen sind, sind uns Geschenk-Abos die vielleicht noch weitere LeserInnen für die VETO begeistern können. Im Mittelteil befinden sich Karten auf denen solche Abos bestellt werden können. Auch für Ratschläge ist die Redaktion jederzeit offen. Wir meinen, daß es für die VETO keinen Ersatz im tierärztlichen und landwirtschaftlichen Spektrum gibt.

Schwerpunkt der nächsten VETO (Nr. 46 so es sie noch geben wird): Pferde

Seit der letzten „Pferde-VETO“ sind über drei Jahre vergangen und es ist an der Zeit, die Debatte zur Pferdezucht, -Nutzung und Haltung wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Beiträge zum Thema, aber auch zu anderen aktuellen oder chronisch kritischen Themen sind herzlich willkommen.

die Redaktion

Inhaltsverzeichnis der Veto Nr. 45

Redaktionelles

Inhalt & Impressum….2

Editorial….3

Schwerpunkt: Gentechnik 

Das molekulare Monopoly
Karriere, Geld und Genforschung….4

Ge(n)hirnwäsche
Von der Gentechnologie zum Life-Industry-Komplex….7

Genmanipulierte Nahrungsmittel
Vom Acker auf den Tisch….10

brave new world
oder die Rettung der deutschen Hauskatze….14

NEIN zur Gentechnologie
Plädoyer für die Beibehaltung der bisherigen AGKT-Position….16

Tierseuchen

Tierkörperbeseitigung nach BSE
Die unendliche Geschichte geht weiter….19

Pharma

Therapienotstand in der Veterinärmedizin
Warum Arzneimittel vom Markt verschwinden….21

Alternative Heilmethoden

Ausgelitten Dank Ausleitung
Über ausleitende Methoden….25

Mit Blumen heilen
Bach-Blütentherapie in der Tiermedizin….27

Geflügel / Tierschutz

Put, Put Putenhaltung
Gesunde Puten tiergerecht halten….29

Am Boden, aber frei
Nds. Empfehlungen für die Boden und Freilandhaltung von Legehennen….31

Weitere Themen

Buchbesprechung

Hühner für alle!
„Ökologische Geflügelhaltung….34

Dokumentation

Strukturwandel und Pestbekämpfung
GÖT eV. zum Entwurf zur Schweinehygieneverordnung….35

Tierschutz ins Grundgesetz
Handbuch zum Tierschutz erschienen….37

die anderen

Forum Wissenschaft
Die Zeitschrift des BdWi….38

Interna

Umwertung des Lebens
Protokoll des AGKT-Treffens in Hannover im November 1997….39

Ankündigungen….41

Anzeigen….42

Kontaktadressen….43

Veto 46

Arzneimittelrecht und Irrsinn

Eigentlich sollten wir zufrieden sein. Alle Welt schreibt jetzt von Resistenzen, Arzneimittelmißbrauch, Rückstandsproblematiken und vielen anderen Stichworten mehr, mit denen wir uns seit Jahren beschäftigen, wie eine unendliche Geschichte von Artikeln in der VETO belegt (incl. Pharma-Sonderheft von 1985!). Neu ist die Problematik mitnichten, gehörte die Novellierung des Arzneimittelrechts doch schon vor 8 Jahren zum Standard der AVO Vorlesungen im Studium.

Die mittlerweile recht zügige Umsetzung dieser arzneimittelrechtlichen Bestimmungen, die schon ein paar Jahre alt sind, hat die Tierärzteschaft und die Öffentlichkeit in einige Verwirrung gestürzt. Therapienotstand schreien die einen – und meinen damit die erzwungene Abkehr von gewohnten Pfaden. Ein Verbot der Antibiotika in der Tiermast fordern andere, zuletzt die Agrarminister der Länder in Jena (wie die taz am 18.09.98 unter Berufung auf Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen berichtete). Anlaß war der Tod einer Frau in Dänemark, die sich mit multiresistenten Salmonellen infiziert hatte. Solche Vorkommnisse wurden allerdings auch schon 1984 im New England Journal of Medicine berichtet.

„Rettet die armen Pferde“ fordert der Spiegel. Pferde sind lebensmittelliefernde Tiere, neben anderen gesellschaftlichen Funktionen als Statussymbol, Spielzeug, Sportgerät etc. Mithin greifen alle gesetzlichen Regelungen, die für die skandalträchtigen „Nutztiere“ – Schweinemastfabriken, Hormonkälber, Hühner-KZs, Puten als wandelnde Apotheken – gelten, auch bei ihnen. Und das ist schade, weil Pferde doch so schrecklich viel empfindsamer sind als Schweine. Es gibt in der Öffentlichkeit derzeit viele klare Forderungen nach klaren Regelungen, nur daß diese sich leider widersprechen.

Diese VETO ist der Versuch, ein wenig Licht ins Dunkel der widerstreitenden Ansprüche zu bringen. Damit ist sie einerseits bestrebt, scheinbar eindeutige Notwendigkeiten ihrer Eindeutigkeit zu berauben, andererseits versucht sie primär unüberbrückbare Gegensätze zu überbrücken – und nicht zu untertunneln wie es seit Jahren gängige Praxis ist. Die VETO kann dabei auf eine lange Geschichte der Aufklärungsversuche verweisen, die zeigen, daß die Problematik nicht neu ist und daß es auch jenseits romantischer „Heile Welt Szenarien“ durchaus Optionen für eine andere rationalere Tierhaltung und eine rationalere Arzneimitteltherapie gibt. Nur sind diese natürlich etwas schwieriger zu vermitteln als eindeutige Verbotsforderungen.

Wer über Arzneimitteleinsatz – rationalen, mißbräuchlichen und überflüssigen – diskutieren möchte, darf von verschiedenen anderen Dingen nicht schweigen. Von der Tierhaltung, von der Struktur der Landwirtschaft, von ökonomischen Zwängen, denen LandwirtInnen, TierärztInnen und die lebensmittelverarbeitende Industrie sich ausgesetzt sehen, vom Tierschutz, von zweierlei Maß bei Tieren, die als Lebensmittel dienen einerseits und solchen die zum Spaß oder als Sozialpartner gehalten werden andererseits. Nicht zuletzt von der Wechselwirkung zwischen humanmedizinischen Problemen und tiermedizinischen Problemen und wohl noch von vielem anderen mehr. Es sind diese Rahmenbedingungen, über die zu diskutieren ist. Die isolierte Diskussion über Buscopan compositum® bei der Kolik des Pferdes lenkt mehr vom Thema ab, als daß sie zu seiner Klärung beiträgt. Auch wenn das natürlich die Frage ist, an der sich die Gemüter erhitzen.

Der Segen der derzeitigen Probleme ist, daß sie offenkundig werden. Wenn Sportärzte bei Pferden feststellen, daß sie selbstredend bei ihren gängigen Therapien immer mit einem Bein im Gefängnis stehen, sollte uns das schon zu denken geben. Ist doch der Pferdesektor in den letzten Jahren, außer vielleicht im Rahmen von Tiertransporten, nie als skandalträchtig in Erscheinung getreten. Über die Auswirkungen der nun in Kraft getretenen Regelungen für die Pferdemedizin berichtet Viola Hebeler auf Seite18.

Was liegt näher als von der Überregulierung zu sprechen, von der Regelungswut der Eurokraten, von überzogenem Verbraucherschutz, der die Therapie kranker Tiere unmöglich mache. Matthias Link hat schon in der letzten VETO (VETO 45, S. 19) darauf hingewiesen, daß viele Arzneimittel nicht vom Markt verschwinden, weil sie gesundheitliche Risiken bergen, sondern weil es ökonomisch für die Hersteller dieser Arzneimittel keinen Sinn macht, diesen eine neue Zulassung zu verschaffen. Die Kosten dieses Zulassungsverfahrens trüge nach geltendem Recht

einer, den Nutzen hätten aber alle anderen auch. Da läßt sich wohlfeil auf die böse gewinnsüchtige Industrie schimpfen, aber das ist ihre Funktion in dieser Gesellschaft.

Aber nicht nur bei der Nachzulassung von Arzneimitteln spielen ökonomische Zwänge eine erhebliche Rolle, auch beim Einsatz zugelassener Arzneimittel. Damit sich nämlich die Investitionen für die Zulassung so richtig lohnen, muß das Arzneimittel nach der Zulassung auch im großen Stil eingesetzt werden. So wird das neue, zunächst hochwirksame Antibiotikum gegen alles und jedes propagiert und ist im konkreten Fall auch immer eine gute Wahl, denn mit Kanonen kann man in Spatzenschwärmen Verheerungen anrichten. Dummerweise steigt aber mit dem massiven Einsatz – auch nach erfolgtem Antibiogramm – das Risiko der Resistenzausbildung bei den Erregern, selbst im hypothetischen Fall eines lege artis Einsatzes. Damit wird das Antibiotikum dann irgendwann nicht mehr das Mittel der Wahl sein. Im günstigen Fall fällt dies mit dem Ablauf des Patentschutzes zusammen.

Ob die neuen Regelungen zu einem Strukturwandel im Tierarzneimittelsektor führen werden, bleibt abzuwarten. Mitleid mit den „kleinen“, die den Markt mit preisgünstigen Generika erfreuen, ist kaum geboten, hinderte sie doch niemand daran, ihrerseits als Zusammenschluß die Nachzulassung dieser Stoffe zu betreiben.

Rationale Arzneimitteltherapie

Rationale Arzneimitteltherapie heißt nicht nur, immer brav einen Resistenztest zu machen, wenn Antibiotika eingesetzt werden und immer brav lange genug mit ausreichender Dosierung zu behandeln, um der Ausbildung von Resistenzen entgegenzuwirken. Allein das scheint nicht unerhebliche Anteile der Tierärzteschaft schon zu überfordern. Einzig die nicht betroffene Gruppe der Veterinäre im öffentlichen Dienst hat mit der konsequenten Durchsetzung dieser Regel keine Probleme.

Rationale Arzneimitteltherapie heißt darüber hinaus ständige Suche nach Alternativen, eine stärkere Betonung des Zusammenspiels von Erreger, Wirt und Umwelt. Ob man dies nun die „Einbeziehung epidemiologischer Aspekte“, „systemisches Denken“ oder den „ganzheitlichen Ansatz“ nennt, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Diese Suche nach Alternativen darf nicht am Hoftor haltmachen, sondern betrifft klar auch den Handel von Tieren und die regionale Struktur der Produktion. Da tun sich dann die Öffentlichen schon etwas schwerer, während die meisten Praktiker völlig kapitulieren, weil sie das vermeintlich nichts angeht.

Rationale Arzneimitteltherapie heißt darüberhinaus, ständig das Wechselspiel zwischen veterinär- und humanmedizinischen Belangen im Auge zu haben. Wer Antibiotika, die in der Humanmedizin als Reserveantibiotika gehandelt werden, für die orale Verabreichung an Nutztiere zuläßt, mag sich gesetzestreu verhalten, zeigt aber, daß er von Public health gerade mal weiß, wie man’s schreibt.

Wer die Lösung in der Entwicklung immer neuer Antibiotika für den Einsatz bei Tieren sucht, läßt sich auf einen sicherlich lukrativen Wettlauf ein, der im Falle der Humanmedizin auch sinnvoll erscheint. Im Falle der Veterinärmedizin stellt dies indirekt den Versuch dar, den humanmedizinischen Läufern entweder ein Bein zu stellen bin schon da, sagt die Resistenz – oder aber sie zu immer schnellerem Tempo anzuspornen.

Die Forderung nach Deregulierung und Markt geht dabei völlig an der Problematik vorbei. Das Problem ist nicht eine Überregulierung des Arzneimittel- und Veterinärwesens sondern eine nicht an die Notwendigkeiten angepaßte. Das Problem sind nicht selten auch Vollzugsdefizite bestehender Regelungen, die nicht nur einer Kumpanei zwischen Veterinärbehörden und Agrobusiness geschuldet sind. Der Staat darf sich hier nicht aus seiner Verantwortung für öffentliche Gesundheitsbelange und auch die Struktur der Landwirtschaft und Tierhaltung stehlen, sondern muß diese offensiv wahrnehmen, wie dies z.B. in den Niederlanden nach dem letzten Schweinepestzug geschehen ist. Die Struktur der Veterinärverwaltung muß auf ihre Effektivität und Rationalität geprüft werden. Internationale Tiertransporte lassen sich auf Kreisebene schwerlich effektiv kontrollieren.

Die Probleme sind vielschichtig und nicht unkompliziert, damit natürlich wenig medientauglich. Immerhin sickert langsam durch, daß es nicht nur der illegale Einsatz von Arzneimitteln ist, der ein Problem darstellt, sondern auch der ganz legale. Risikofrei ist auch der lege artis Einsatz von Arzneimitteln nicht. Allerdings ist dieser Satz weder als Begründung für ein völliges Verbot des Arzneimitteleinsatzes in der Tierhaltung zu verstehen noch als eine Legitimation für „Weiter so, Europa“. Es kommt darauf an, die widerstrebenden Interessen offenzulegen und dann zu entscheiden, welche den Vorrang haben. Daß das Ergebnis dieses Diskurses auch eine Machtfrage ist und nie abschließend entschieden werden kann, liegt in der Natur der Sache. Wenn aber schon mal öffentlich über die entscheidenden Fragen diskutiert würde und tierärztliches „weiter so“ durch ein wenig mehr Kompetenz ersetzt, wäre das ein Fortschritt, der derzeit noch schwer vorstellbar erscheint.

Diese VETO soll uns auf diesem Weg ein Stück weiterführen.

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis der Veto Nr. 46  

Inhalt & Impressum ………………………….. 2

Editorial ………………………………………… 3 

Schwerpunkt Arzneimittel

Wieso, weshalb, warum
Arzneimittelrechtliche Ursachen und Nebenwirkungen…………………………… 5 

Antibiotikaresistenz, die basics
Mechanismen der Resistenzbildung ………… 11 

Antibiotikaresistenzen
Neues zu einem alten Thema ……………….. 13 

Coli-Mastitis und Antibiotika,
eine komplizierte Beziehung ………………… 16 

Chips und Pferde
Konsequenzen der Anwendungsverbote in der Pferdepraxis ……………………………. 18 

Schutz des Verbrauchers durch Lebensmittelüberwachung
Much more work has to be done in this field ……………………………………. 21 

Arzneimittelabgabe
Mycoplasmen-Impfstoffabgabe
Genehmigt wird nicht ……………………….. 24 

Arzneimitteleinsatz I
Was tun?
Resistenzentwicklungen aus praktischer Sicht …………………………. 26

Presseerklärung
Rationale Therapie statt Gießkannenmedikation
in der Veterinärmedizin …………………… 29 

Arzneimitteleinsatz II
Arzneimitteleinsatz in Biolandbetrieben
Kommentierte Auszüge aus den Bioland-Richtlinien ………………………… 30 

Weitere Themen

Interview
Zuschuß für Arbeit statt Subvention für Raps ………………………. 35 

Vorstellung
Codex Veterinarius
Ethik-Leitlinien der TVT………………….. 37 

AGKT-Treffen
Photos vom Treffen in Görde…………….. 40 

Aus dem Netz
Hart am Wind
Surfenswerte Webseiten zu Ethologie und Tierhaltung ……………….. 41 

AGKT online
Email-Adressen …………………………….. 41 

Anzeigen ……………………………………. 42 

Kontaktadressen ……………………………. 43 

Ankündigung
AGKT-Treffen in Bretzfeld-Rappach ………………………….. 44

Veto 48

Was lange währt, währt immer länger

Hier ist sie endlich, die VETO 48. AbonennentInnen werden sich schon gefragt haben, ob sie überhaupt nochmal irgendwann eine VETO erhalten werden. Die Frage ist nicht unberechtigt. Der Zahn der Zeit nagt an der VETO, der Spagat zwischen einer inhaltlich immer besseren Zeitschrift, die immer noch die Dinge bringt, die ansonsten untergehen und der personell immer dünneren Decke von Leuten, die die VETO machen, zerreißt sie langsam aber sicher.

Es ist nicht das erste Mal, daß die VETO Probleme hat, und oft war nach der Redaktionssitzung die Stimmung gut, aber nach und nach häufen sich die Schwierigkeiten. Dabei sind es nicht die einzelnen Aspekte sondern es ist die Gemengelage, die die Arbeit zäh werden läßt und die wenigen, die das Projekt aktiv tragen, ermüdet. Diese sind obendrein meist in andere Aufgaben verstrickt, sei es Praxis, Uni-Job, ungesicherte Existenz, Familie etc..

In dieser Situation haben wir uns entschlossen, daß die VETO 50 die letzte VETO sein wird. Dies ist also der offizielle Beginn der Chronik eines angekündigten Abschieds. Diejenigen, die diesen Abschied verkünden, sind die gleichen, die sich lange gegen ihn gesträubt haben. Es sind die, die in den letzten Jahren die VETO gemacht haben. Und die diesen Schritt, aufzuhören mit der VETO nicht tun wollten. Denn die VETO ist nicht nur eine Zeitung, sie ist und war immer auch eine Klammer für die unterschiedlichen Menschen, die sich der AGKT zugehörig fühlten. Sie war auch der Zwang, Diskussionsprozesse zu Papier zu bringen und einer breiteren Kritik zu stellen. Aus den Auseinandersetzungen auf AGKT-Treffen wurden Artikel, die auf dem Niveau selten in der tiermedizinschen Literatur zu finden sind und oft den Diskussionsständen anderer Zirkel weit voraus.

Mit dem absehbaren Ende sind wir natürlich auch in die Diskussion eingestiegen, wie es denn weitergehen soll, an welcher Stelle sich die Meinungen und Diskussionsergebnisse jetzt festsetzen sollen. Die Diskussion ist angestoßen aber noch längst nicht zu einem Ziel gelangt. Konsens war allerdings, daß ohne die Möglichkeit der Publikation, die Diskussion rasch an Tempo und Tiefe verlieren wird, da diskutieren für uns keine zweckfreie Selbstbefriedigung ist. Der Ausdruck „Diskussionsstand“ beinhaltet, daß etwas irgendwo steht. Es wird wahrscheinlich nicht mehr in der VETO sein.

In dieser VETO wird nun wieder einiges an Diskussionsständen dokumentiert. Im ersten Teil finden sich mehrere Beiträge zum Lehren und Lernen, die nach Inkrafttreten der neuen TAppO an Aktualität nichts eingebüßt haben. Aber nicht nur das Thema Studium steht im Inhaltsverzeichnis. Auch die Weiterbildung, das vielgepriesene „lebenslange Lernen“ wird thematisiert. In fast allen Tierärztekammern des Landes wurde und wird an neuen Weiterbildungsordnungen gestrickt. Weiterbildung hat allerdings nicht nur mit hehrem Wissen und Können zu tun. Es geht dabei auch um die Erweiterung und Sicherung von Marktchancen.

Mit der Einrichtung eines PhD-Studienganges ist es der TiHo Hannover „gelungen“, die Postgraduiertenausbildung auf die Gesamtlehre anrechnen zu lassen, was die Zahl der Studierenden im Grundstudium verminderte. Auch dieser Weg ist sicherlich diskussionswürdig, rührt er doch an die alte Frage des Sinns und Unsinns von Zulassungsbeschränkungen. Auch dazu hat in vergangenen VETOs schon viel gestanden.

Der VETO-Schwerpunkt der Nr. 47 „Tierseuchen“ wird in dieser VETO mit drei Beiträgen fortgeführt, einer Fortführung der Geschichte der Tierseuchenbekämpfung in Europa, der Diskussion wirtschaftlicher Aspekte und der Mythenjagd.
Neben diesen Hauptteilen finden sich wieder diverse Beiträge zu klassischen AGKT-Themen (Berufspolitik, Verbraucherverhalten und Tierschutz).

Zum Schluß noch eine Bemerkung für die AbonnentInnen. Bei der Einziehung der Gelder gehen wir bis auf weiteres davon aus, daß mit der VETO 50 Schluß ist und werden keine darüberhinausgehenden Zahlungen einfordern. Diejenigen, die schon mehr gezahlt haben, bitten wir, dies als gute Tat zu verbuchen, da es uns vermutlich nicht möglich sein wird, diese Beträge zurückzuerstatten. Wir versichern allen, daß falls Gelder übrigbleiben sollten (was nicht wahrscheinlich ist), diese in die Arbeit der AGKT einfließen werden.

Nach so viel Ende ist es Zeit, mit der Lektüre anzufangen…

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis der Veto Nr. 48

Redaktionelles, Inhalt & Impressum ….. 2

Editorial ………….. 3 

Aus-, Fort- und Weiterbildung

Auf verschlungenen Wegen ins Gehirn 
Vom Lernen und wie die Lehre dabei helfen kann……….. 4 

Ohrenschmaus & Ohrengraus
Über die veterinärmedizinische Vorlesungslandschaft und Ansätze zur Verbesserung
… 8 

Ph.D.-Studium
Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs verbessern …… 12 

Wie denn? Wo denn? Was denn?
FachtierärztInnen und Zusatzbezeichnungen [PDF]…….. 14 

Weiterbildung globalisiert
Entwicklungen im Fach Pathologie ………. 19 

Weiterbildung im „Ganzheitlichen Bereich“………………… 21 

Fort- und Weiterbildung im öffentlichen Dienst……………………….. 22 

Strukturelle Auswirkungen von Fortbildung…………………………….. 25 

Lifelong Learning
Tierärztliche Weiterbildung in England…………………………………….. 27 

Tierseuchen

Von der Rache der Götter zum Handelshemmnis
Tierseuchenbekämpfung unter geänderten Vorzeichen (Teil 2) ………….. 30 

It‘s all in the money
Zur wirtschaftlichen Bedeutung von Tierseuchen …………………………….. 32 

Die Tollwut und die Wut der Jäger………………………………. 36 

Verschiedene Themen

Leben und leben lassen
Koexistenz unter Tierärzten……………… 38 

SchummelEi
Untersuchung über den Einfluß objektiver Verbraucherinformation auf das Kaufverhalten bei Hühnereiern………….. 40 

Desire to go
Tierschutz und Schlittenhundesport ……..42 

Abenteuerreisen
AGKT-Treffen in Leipzig
von Natascha Arras 
(Autorangabe fehlt im Heft)…………….. 46 

Aus dem Netz
Hart am Wind
Aus-, Fort-, und Weiterbildung im Internet..49 

AGKT online
Email-Adressen ………………………………. 49 

Anzeigen ………………………………………. 50 

AGKT-Treffen in Bretzfeld…………………… 51
Kontaktadressen …………………………… 52 

Veto 50

Veto 50

Inhalt & Impressum …………………………. 2

Editorial………………………………………….. 3

Die Plattform der AGKT

Wie alles anfing………………………………… 4

EIERLEGENDE­WOLLMILCHSAU……………………………….. 6

Agrarökologie

Agrarökologie in der AGKT ………………….. 8

Warum ein AK Ökologische Landwirtschaft
in der AG Kritische Tiermedizin ? ………… 14

Exkursionen der AGKT ……………………… 14

Seminare der AGKT………………………….. 18

Veröffentlichungen der AGKT …………….. 19

Im Spiegel der Vetos der letzten 25 Jahre

Tierschutz und Tierhaltung in der AGKT .. 20

Liste der Veto-Beiträge zu Tierschutz
und Tierhaltung ………………………………. 24

Patente auf Leben

Ein Ausblick…………………………………….. 28

Alle AGKT-Treffen …………………………….. 35

Pferde

Nutzungsbedingte Lahmheiten bei Reitpferden……………………………………… 36

Schlachtung

BSE, Bolzenschußbetäubung und der 
sogenannte Rückenmarkszerstörer……….. 42

AGKT digital …………………………………….. 45

Photoalbum …………………………………….. 46

EIERLEGENDEWOLLMILCHSAU

von Anita Idel

aus Veto 50 – 2007, S. 6-8

Eine EIERLEGENDEWOLLMILCHSAU zierte das Cover der ersten Ausgabe der Veto. Sie war bereits mit Einfüllstutzen versehen für Hormone, Antibiotika und Cortisone. Damals – im Sommer 1982 – hatte der Zeichner Hans-Jörg Seilacher bereits die wichtigsten Zuchtziele im Visier:

bis 1984 – sechsspuriger Ausbau des Verdauungskanals und

bis 1987 – Einkreuzung von landwirtschaftlichem Pflegepersonal.

25 Jahre sind vergangen, und die Einfüllstutzen dienen der mit chronischer Routine betriebenen permanenten Schadensbegrenzung. Obwohl die Gesetzeslage den kranken Verhältnissen immer mehr angepasst worden ist, erlebt die Aufdeckung von Arzneimittelskandalen – auch mit illegalen Substanzen – immer wieder Höhepunkte. Mehr Milch, mehr Fleisch, mehr Eier und das in immer kürzerer Zeit – lautet die so alte wie auch immer wieder neue Devise. Hormone und Antibiotika sollen einen Teil der Produktivitätssteigerung erbringen, die mit der Gentechnik verheißen worden war.

Aber bis heute gibt es keine transgenen Tiere in der landwirtschaftlichen Praxis; denn eine steigende Zahl von Tierversuchen scheitert weiterhin an biologisch-technischen Problemen des Gentransfers bei landwirtschaftlich genutzten Tieren.

Nichts desto Trotz hat die Rechtslage die tierisch-technische Entwicklung überholt: In den USA ist es mittlerweile erlaubt, geklonte Tiere als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen.

Neben produktivitätssteigernden (Wachtumshormon)-Genen waren große Hoffnungen auf Resistenz-Gene gegen die wirtschaftlich gravierendsten Krankheiten gesetzt worden: Seuchen, sowie Atem- und Darmwegserkrankungen. Aber bis heute ließen sich kaum Gene identifizieren, die als allein ursächlich für eine Resistenz angesehen werden könnten.

Und damit zurück zum Titelbild der ersten Veto. Statt der „Einkreuzung von landwirtschaftlichem Pflegepersonal“ vergrößert sich der Aufwand der technischen Überwachung der Tiere immer mehr. So wird immer weniger Zeit mit dem Tier und stattdessen immer mehr Zeit vor dem Computer verbracht. Über die Gentechnik hinaus soll mittels einer weiteren Biotechnik tatsächlich landwirtschaftliches Pflegepersonal eingespart werden. Mit Tieren aus einem Klon pro Stall ließe sich beispielsweise die Berechnung des Futtermittelbedarfs auf ein Minimum reduzieren und die Fütterung dadurch erheblich vereinfachen, verlautbaren einschlägig Interessierte seit Mitte der 80er Jahre.

Mit der seit damals forcierten Klonforschung sollen die hohen Investitionen in die Genforschung trotz der schlechten Erfolgsquoten kompensiert werden: Wenn ein einzelnes transgenes Tier den Vorstellungen seiner Erzeuger entspricht, so die Idee, sollte es massenhaft vervielfältigt werden. Mit dem Schaf „Dolly“ wurde zwar 1997 der Durchbruch präsentiert, aber wieder stehen dem biologisch-technische Probleme entgegen, so dass statt des eigentlichen Ziels, der massenhaften Tierproduktion aus einem Guss, wiederum nur Unikate entstehen. Sollten aber „Dollys“ NachfolgerInnen eines Tages doch in Serie gehen, läge die Gefahr im Erfolg: Das bei allen einheitlich normierte Erbgut würde den Spielraum für individuelle Reaktionen – zum Beispiel Abwehr von Krankheitserregern – drastisch einschränken.

Auch aus dem für 1984 anvisierten „sechsspurigen Ausbau des Verdauungskanals“ ist bekanntlich nichts geworden. Aber neben der Einsparung von Arbeitskräften, der Beschleunigung des Wachstums, der Steigerung der Leistung und der Erhöhung der Besatzdichten ist das Futter die entscheidende Variable an den tierischen Produktionskosten. Die Futtermittelindustrie hat durch die Verwendung von Kadavern bis hin zu Dioxin-belasteten Energieträgern Millionen eingespart. Die Pervertierung des Recyclinggedankens nimmt als schlimmste Folge der Externalisierung von Kosten auch den Tod in Kauf. Wie die Verseuchung von Boden, Luft und Wasser sowie Antibiotika-resistente Bakterien uns oft nur schleichend und häufig unerkannt krank machen, ist auch die neuartige Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit infolge des Verzehrs BSE-kranker Rinder Realität. Auch wenn wir die genauen Ursachen des Rinderwahns noch nicht abschließend verstehen, seine entscheidende Verbreitung erreichte er durch Zwangskannibalismus: die Verfütterung von Wiederkäuertiermehl an Wiederkäuer. Und schon ist sie wieder da: die Verheißung, mit dem Gen, hier: einem BSE-Resistenz-Gen, könne die Welt gerettet werden.

Der Wunsch nach einfachen Lösungen ist eine entscheidende Triebfeder des Glaubens an die Gentechnik. So wurde Jahrzehnte lang an der Vorstellung festgehalten, ein Gen bewirke die Bildung eines Proteins. Und auch der Glaube, ein Protein regele eine Eigenschaft, hielt sich lange. Nach Untersuchungen, deren Ergebnisse erst nach dem Milleniumswechsel veröffentlicht wurden, hat das Genom von Säugetieren mit 30 000 weit weniger Gene als die angenommenen 100 000.

Bezüglich der züchterischen Selektion kann somit in der Regel nur mit Näherungswerten gearbeitet werden. Die Marker gestützte Selektion versucht sich an Wahrscheinlichkeiten, mit denen ein Marker in der Nähe relevanter Gene lokalisiert ist. Mit FUGATO, der „Funktionelle(n) Genom Analyse im Tierischen Organismus“ gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sollen die genetischen Grundlagen für Gentests erforscht werden. Die Ergebnisse übernimmt der gleichnamige Industrieverbund (www.FUGATO-Forschung.de); am Ende stehen jeweils patentierte Gentests, wobei im Einzelfall auch das analysierte Produkt, das Tier bzw. seine Verwendung, unter den Patentschutz fallen kann.

Mit der immer stärkeren Selektion erhöht sich auch die Inzucht und damit die Gefahr des Auftretens und der Verbreitung von Erbfehlern. Insbesondere sollen geeignete Bullenmütter identifiziert werden, deren Söhne dann als Anlageträger einzelne Gensequenzen massiv in der Population verbreiten sollen. Inzwischen gibt es Bullen mit mehr als einer Million Nachkommen.

Die große Bedeutung der Fortentwicklung weiterer Biotechniken kommt aber erst in der Kombination der Marker gestützten Selektion mit Fortpflanzungs- und Vervielfältigungstechniken zum Tragen: In-vitro- Fertilisation, Kryokonservierung, Ovum Pick up, In- vitro-Reifung, Intra-zytoplasmatische Spermieninjektion sowie die Verbesserung der Nährmedien.

Die Komplexität genomischer Interaktionen und der Epigenetik ist ein hochspannendes Forschungsfeld. Aber ihre Erforschung krankt – wie so vieles – am Erkenntnisinteresse: Verstehen wollen – einzig, um gewinnsteigernd manipulieren zu können.

Presseresonanz bis zur Praline nach AGKT Stand auf der Grünen Woche 1989

Natürlich war die EIERLEGENDEWOLLMILCHSAU nie gewollt sondern die extrem einseitige Nutzung. In den über 20 Jahren seit der ersten Veto hat diese Spezialisierung weiter dramatisch zugenommen. Die gewünschten züchterischen Erfolge stellen zugleich Durchbrüche auf der Privatisierungsebene dar: Die biotechnischen Möglichkeiten zur züchterischen Spezialisierung führen zu einem weiteren Verlust von Agrobiodiversität durch die reduzierte genetische Basis innerhalb und zwischen den Rassen. Damit verbunden sind (privat-)rechtliche und somit auch soziale Folgen durch die immer geringere öffentliche Verfügbarkeit von Zuchttieren überhaupt. Und speziell von Tieren, die für züchterische Ansätze für weniger intensive Haltungssysteme und die Freilandhaltung geeignet sind – kurz: Die Entwicklung einer ökologischen Tierzucht, orientiert auf Tiergesundheit und nachhaltige Landnutzung.

Veto 50

Ein Viertel Jahrhundert AGKT und viele Vetos liegen hinter uns. Hier die Nummer 50 – endlich!

Einige Anläufe und langes Warten hat es gekostet und nun zu letzt noch einen sonnig-stürmischen, langen Sonntag in Ostfriesland.

Wir alle verbinden eine wichtige Zeit unseres Lebens mit der AGKT, viele immer noch bestehende Freundschaften sind in ihrem Rahmen entstanden. Gemeinsame Gedanken, Diskussionen, Aktivitäten von Demonstration bis Seminar und Party verbinden uns. Impulse aus der AGKT beeinflussen unser berufliches Leben noch immer. Etwa im täglich kritischen Umgang mit Lebensmitteln. In der Sensibilität für das Thema artgerechte Tierhaltung auch in der Kleintierpraxis, wenn es um Omas fetten Dackel oder die haarsträubende Knasthaltung von Heimtieren geht.

Nicht wenige haben die Themen hauptberuflich umgesetzt: ProfessorInnen für die ökologische Tierhaltung, AmtstierärztInnen im Tierschutz, TierärztInnen für Akupunktur, Homöopathie und biologische Tiermedizin. Die anderen binden AGKT-Themen in ihrem Arbeitsalltag ein.

Die AGKT hat die Augen geöffnet für Argumente jenseits des mainstreams und das auf facettenreiche Weise: Arzneimitteleinsatz in der Nutztierhaltung, „Verheißungen“ der Gentechnologie, Kampfhunddiskussion, Exotenhaltung, um nur ein paar Stichpunkte aufzuzeigen.

Grossartig noch immer unsere Treffen, zuletzt bei Ute im Mai 2006 in Ballenhausen und im Sommer 2007 dann bei Vio in Reichshof.

Mittlerweile kommen wir aus den unterschiedlichsten Arbeitszusammenhängen und haben uns doch viel zu sagen und zu geben. Einerseits ist es gut, die Meinung der anderen zu hören, z.B. im Streit um Vogelgrippe- Bekämpfungsmaßnahmen, anderseits die stärkende Gruppe Gleichgesinnter zu erleben.

Dies ist die 50te und letzte Veto. Ein Rückblick auf die Plattform der Veto 0 eröffnet unsere Schlussausgabe. Es folgen Artikel zur Entwicklung der Themen Tierschutz und Tierhaltung sowie Agrarökologie innerhalb der AGKT. Ergänzt durch Zusammenstellungen unserer Seminare, Sonderveröffentlichungen, Treffen und Fahrten. Eingerahmt durch ein „best of “ – der eingesandten Fotos!

Dazu kommen Artikel aus den Bereichen Patentierung von Leben, Arthrosen im Pferdesport und Betäubung von Schlachttieren. Diese Artikel wurden schon vor einiger Zeit geschrieben, was den Informationsgehalt aber nicht schmälert, auch wenn aktuelle Bezüge zu den Themen ergänzt werden könnten.

Die Veto wird es als Informationsorgan nicht mehr geben. Zu groß war die Anstrengung und zu eingespannt die potentiellen AutorInnen und RedakteurInnen, um ein regelmäßiges Erscheinen zu gewährleisten.

Als gedrucktes Medium ist die Veto ohnehin zu schwerfällig geworden und der informelle Austausch zu aktuellen Themen und Ankündigungen findet schon lange in unserem Internetforum agkt@yahoogroups.com statt. Wer in diesem Verteiler noch nicht gelistet ist kann sich bei http://de.groups.yahoo.com/group/agkt anmelden.

Unsere grossartigen Fotos können ebenfalls auf der AGKT Homepage http://www.agkt.de/veto/ bewundert werden.

Wittmund im Wind,

Jan, Matthias, Carmen

Inhaltsverzeichnis der Veto 50

Inhalt & Impressum …………………………….. 2

Editorial……………………………………………… 3

Die Plattform der AGKT

Wie alles anfing…………………………………… 4

EIERLEGENDEWOLLMILCHSAU …………… 6

Agrarökologie

Agrarökologie in der AGKT …………………. 8

Warum ein AK Ökologische Landwirtschaft in der AG Kritische Tiermedizin ? ………………….. 14

Exkursionen der AGKT ………………………. 14

Seminare der AGKT…………………………….. 18

Veröffentlichungen der AGKT ………………. 19

Im Spiegel der Vetos der letzten 25 Jahre

Tierschutz und Tierhaltung in der AGKT .. 20

Liste der Veto-Beiträge zu Tierschutz und Tierhaltung …………………… 24

Patente auf Leben

Ein Ausblick……………………………………….. 28

Alle AGKT-Treffen ……………………………… 35

Pferde

Nutzungsbedingte Lahmheiten bei Reitpferden……………………………………. 36

Schlachtung

BSE, Bolzenschußbetäubung und der sogenannte Rückenmarkszerstörer…………. 42

AGKT digital ……………………………………… 45

Photoalbum ………………………………………… 46

Sechs Monate Leben

Über die Fütterung und Haltung von Mastkälbern

von Ursula Plath

aus Veto 49 -2001, S. 18-23

Mastkälber und ihr Fleisch

Wir geben dem Morgenkaffee einen Schuß Milch, essen zwischendurch einen Becher Joghurt und genießen Käse auf dem Brot. Wer denkt dabei schon an das Schicksal der zwei bis drei männlichen Kälber, denen man im Laufe seines Lebens durch einen durchschnittlichen Verzehr von Milchprodukten auf die Welt verhilft? Zwar ereilt nicht alle männlichen Kälber das Schicksal eines Mastkalbes, häufig werden sie auch zur Bullenmast aufgezogen, um dann nach etwa zwei Jahren geschlachtet zu werden. In Deutschland trifft es jährlich jedoch etwa 457 000 Kälber (ZMP – Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft GmbH, 2000) , das Leben eines Mastkalbes zu führen.

Kalbfleisch hat ein besonderes Image. Es gilt als besonders leicht bekömmlich und diätetisch wertvoll. Dieses Image beruht im wesentlichen auf der blassen Farbe des Fleisches. Die Fleischfarbe stellt bezüglich der Vermarktung von Kalbfleisch in Deutschland immer noch ein Hauptkriterium dar. Physiologischerweise haben Kälber natürlich kein blasses Fleisch. Erst eine fütterungsbedingte Eisenmangelanämie führt zu der typischen Blässe des Kalbfleisches (NEUMANN u. GRIEB, 1968). Zudem haben Untersuchungen bereits in den 60er Jahren nachgewiesen, dass Kalbfleisch hinsichtlich der ernährungsphysiologischen Bedeutung nicht besser zu bewerten ist als anderes Rindfleisch (GEBAUER, 1960; WEBSTER u. SAVILLE, 1981).

Haltungsbedingungen vor der Kälberhaltungsverordnung

Die Haltungsbedingungen von Mastkälbern haben sich in den letzen Jahren verändert. Vor Inkrafttreten der Kälberhaltungsverordnung 1992 waren die Haltungsbedingungen von Mastkälbern beinahe mittelalterlich schlecht. Die Kälber verbrachten ihre fünf- bis sechsmonatige Lebenszeit in 55 bis 80 cm breiten Einzelboxen auf Spaltenboden oder in Anbindehaltung. In den schmalen Buchten konnten die Kälber bereits in einem Alter von etwa zwei Monaten nicht mehr seitlich ausgestreckt liegen. Zudem war der Stall oft fensterlos, an elektrischem Licht wurde meist gespart. Im letzten Jahrhundert ging man davon aus, dass eine dunkle Umgebung die blasse Farbe des Fleisches hervorruft (BÜNGER, 1931), und es scheint, als sei dieser Irrglaube noch nicht ganz vergessen.

Aber nicht nur die Haltungsbedingungen entsprachen den Bedürfnissen der Mastkälber nur ungenügend, auch die Fütterung war und ist teilweise wenig artgerecht. Mastgrundlage stellte bis zum Inkrafttreten der Kälberhaltungsverordnung 1992 ausschließlich die Milchaustauschertränke dar. Rauh- und Kraftfutter wurde von den Mästern abgelehnt, da die Pansenentwicklung möglichst unterdrückt und das Labmagenvolumen stark gedehnt werden sollten. Auf diese Weise sollten eine höhere Tränkeaufnahme und infolgedessen höhere Zunahmen erreicht werden. Rauhfutter wurde aber auch wegen seines Eisengehaltes und der dadurch gefürchteten Rosafärbung des Kalbfleisches von den Mästern abgelehnt. Die Milchaustauschertränke wurde aus dem bloßen Eimer bzw. Trog ohne Saugmöglichkeit verabreicht. Trinkwasser wurde Mastkälbern üblicherweise nicht angeboten, denn die Mäster befürchteten, dass die Kälber durch eine zu hohe Trinkwasseraufnahme weniger Milchaustauschertränke aufnehmen und somit geringere Zunahmen zeigen würden.

Es ist offensichtlich, dass diese Haltungs- und Fütterungsbedingungen den Bedürfnissen junger Kälber nicht gerecht werden. Dies wird besonders deutlich, wenn man das Verhalten von Kälbern unter naturnahen Bedingungen, wie der Mutterkuhhaltung, untersucht. Auf der Weide leben Kälber innerhalb der Herde in sozialen Gruppen, den sogenannten Kindergärten, denen sie sich bereits im Alter von ein bis zwei Wochen anschließen (SAMBRAUS, 1978). Den überwiegenden Teil des Tages verbringen Kälber mit Ruhen und der Nahrungsaufnahme. Nahrungsaufnahme sind hier sowohl das Saugen an der Mutter, als auch die Aufnahme strukturierter Nahrung, die bereits im Alter von einer Woche beginnt (BOGNER et al., 1986). Insbesondere der Mangel an Rauhfutter führt bei Mastkälbern, die nur mit Flüssigfutter gemästet werden, zu übermäßigem Lecken und Knabbern an Artgenossen oder Stallgegenständen (KOOIJMAN et al., 1991). Die Folgen des intensiven Leckens und Knabberns der Kälber in Einzelhaltung fallen einem bei einem Besuch in einem konventionellen, älteren Kälbermastbetrieb sofort ins Auge. Die Holztrennwände der Einzelboxen sind stark durchlöchert und sehen insgesamt „abgelutscht“ aus. Das übermäßig häufige Auftreten von Leck- und Knabberaktivitäten an Stallgegenständen oder Artgenossen kann als Stereotypie eingeordnet werden (WIEPKEMA et al., 1987) und zeigt somit an, dass auf das Tier Bedingungen einwirken oder eingewirkt haben, die das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen oder beeinträchtigt haben (DUNCAN et al., 1993).

Haltungsbedingungen nach der Kälberhaltungsverordnung

Wie aber sehen die aktuellen Haltungsbedingungen von Mastkälbern aus? Seit 1991 liegt eine EU-Richtlinie (91/629/EWG) vor, die die Mindestanforderungen an die Haltung von Kälbern bis zu einem Alter von sechs Monaten festlegt. Im Dezember 1992 wurde in Deutschland diese Richtlinie in Form der Kälberhaltungsverordnung umgesetzt. Eine erste Veränderung der Verordnung ist seit 1997 in Kraft, ebenfalls auf einer EU-Richtlinie (97/2/EG) basierend. Die Umsetzung der Kälberhaltungsverordnung brachte einige wesentliche Verbesserungen, die Mastkälberhaltung und –fütterung kann insgesamt aber immer noch nicht als optimal bezeichnet werden.

Seit 1995 dürfen über acht Wochen alte Kälber nicht mehr einzeln gehalten werden. Auch die Anbindehaltung ist seit 1999 verboten. Die Mindestboxenbreite für jüngere Kälber in Einzelhaltung wurde auf 100 cm bzw. 90 cm, falls die Seitenwände nicht bis zum Boden reichen, erweitert. Spaltenboden ist weiterhin erlaubt und in der Praxis üblicherweise auch vorzufinden. Ein besonderer Nachteil des Spaltenbodens in der Kälbermast ist seine starke Rutschigkeit. Diese entsteht aufgrund des sehr weichen bis flüssigen Kotes der Kälber sowie der hohen Urinproduktion, beides bedingt durch die überwiegende Flüssigfütterung. Allerdings werden die Argumente des weichen Kotes und des hohen Urinanfalles auch von den Mästern gegen die Stroheinstreu hervorgebracht, da diese sich nachteilig auf die Qualität und Isolationseigenschaften der Einstreu auswirken können (VAN PUTTEN, 1987). Wahrscheinlich bedeutet Stroheinstreu bei Mastkälbern tatsächlich mehr Arbeitsanfall als bei anderen Kälbern. Beispielsweise in der Schweiz werden jedoch alle Kälber auf Stroh gemästet, so dass dieses Problem arbeitstechnisch bewältigbar scheint.

Eine weitere Verbesserung der Haltungsbedingungen liegt im vorgeschriebenen Wasserangebot zur freien Aufnahme, sowie in einer Mindestbeleuchtungsstärke von 80 Lux, die für mindestens zehn Stunden im Stall erreicht werden muß. Ein Problem liegt hier jedoch in der Durchführung, da allein das Vorhandensein eines Lichtschalters sowie einiger Kabel und Glühbirnen nicht garantiert, dass jemand den Lichtschalter auch betätigt. Es ist in der Praxis nach eigenen Erfahrungen verbreitet, dass der Stall lediglich während der Fütterung beleuchtet ist. Die Beleuchtungsmöglichkeit reicht für das Bestehen einer amtlichen Überprüfung aus. Fensterflächen sind nach der Kälberhaltungsverordnung leider nicht vorgeschrieben.

Das Problem der Fütterung wird durch die Kälberhaltungsverordnung nur halbherzig gelöst. Nach der Kälberhaltungsverordnung ist für über eine Woche alte Kälber eine Mindestmenge an Rauhfuttergabe oder der Gabe an „sonstigem rohfaserreichen strukturiertem Futter“ vorgeschrieben, die für Kälber im Alter bis zu acht Wochen mindestens 100 g, im Alter von mehr als acht Wochen mindestens 250 g täglich vorsieht. Immerhin ist diese Regelung deutlich tiergerechter, als in der EU-Richtlinie gefordert, nach der eine Mindestrauhfuttergabe bei der „Haltung von Kälbern zur Erzeugung von hellem Kalbfleisch“ nicht vorgesehen ist. Aber auch die deutschen Mengen sehen eher nach einem Kompromiss aus.

Nach eigenen Beobachtungen nehmen Mastkälber bereits im Alter von fünf bis sechs Wochen eine 100 g Heumahlzeit innerhalb etwa elf Minuten vollständig auf. Auf der Weide grasen bereits drei Wochen alte Kälber für etwa drei Stunden täglich (GODFREY, 1961). Mastkälber, denen die gesetzliche Mindestmenge an Heu angeboten wird, lecken noch immer sehr häufig an der Stalleinrichtung (PLATH, 1999). Es kann davon ausgegangen werden, dass das Bedürfnis nach Aufnahme strukturierter Nahrung durch die gesetzlich festgelegten Mindestmengen nicht ausreichend befriedigt ist. Zudem ist das Problem in der Praxis wahrscheinlich noch größer, da den Kälbern bevorzugt Maissilage als Rauhfutter angeboten wird. Maissilage besitzt aber bekannterweise einen deutlich geringeren Rohfaseranteil als Heu (Maissilage: 6,5 g Rfa/100g untersuchte Substanz; Heu: 23,8 g Rfa/100g untersuchte Substanz). Die Mäster favorisieren Maissilage vorwiegend aus diesem Grund. Eigene Erfahrungen in konventionellen Betrieben sprechen dafür, dass etliche Mastkälber auch diese 100 g Maissilage pro Tag nicht angeboten bekommen. Oft wird lediglich ein kleines Silo Maissilage für die amtlichen Kontrollen auf dem Hof gelagert, das tatsächliche Verfüttern kann aber niemand kontrollieren. Immer noch stehen die alten Befürchtungen einer zu raschen Pansenentwicklung und einer unkontrollierten Rosafärbung des Fleisches der ausreichenden Rauhfutterfütterung entgegen.

Eine zu starke Anämie der Kälber wird hingegen inzwischen auch von den Mästern gefürchtet, da diese oft mit einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit (BÜNGER et al., 1986) und geringeren Zunahmen (BÜNGER et al., 1987; GYGAX et al., 1994) verbunden ist. Einige Mäster grosser Bestände führen zweimalige Blutuntersuchungen des gesamten Bestandes während einer Mastperiode durch, um anhand des Serumeisengehaltes eine wohldosierte Eisenapplikation durchzuführen. Zudem wird nach der ersten Veränderung der Kälberhaltungsverordnung von 1997 eine Mindestgehalt von 6 mmol Hb/l Blut gefordert, der durch amtliche Kontrollen überprüft wird. Der festgelegte Wert liegt allerdings bereits an der Grenze zum präanämischen Bereich und ist somit zu gering (BOSTEDT et al., 2000). Besser wäre ein Mindestwert von 7,5 mmol Hb /l, bei dem Kälber eisennormalversorgt sind (BOSTEDT et al., 2000). In der früheren Fassung der Kälberhaltungsverordnung wurde lediglich ein Mindestgehalt Eisen im Tränkepulver gefordert. Dies führte zu trickreichen Lösungen, wie beispielsweise der Zufütterung grösserer Mengen Kupfer, das die Eisenresorption im Darm herabsetzt. Die Angst vor einer zu starken Pansenentwicklung aufgrund der Rohfaserfütterung und damit verbundenen geringeren Zunahmen scheint irreal, da einige Untersuchungen zeigten, dass Mastkälber, denen rohfaserreicheres Rauhfutter angeboten wird, deutlich höhere Zunahmen gegenüber flüssiggemästeten Mastkälbern zeigen (TER WEE et al., 1991; EGGER, 1995).

Die Fütterungstechnik bei der Milchaustauschertränke wird durch die Kälberhaltungsverordnung nicht geregelt. Noch immer werden die Kälber überwiegend aus dem bloßen Eimer bzw. Trog ohne Saugmöglichkeit getränkt. Trotz dieser Tränketechnik, die das Saugbedürfnis der Kälber nicht befriedigt ist das Problem des gegenseitigen Besaugens in der Gruppenhaltung der über acht Wochen alten Kälber geringer als befürchtet. Von den Mästern, die vor der Inkrafttretung der Kälberhaltungsverordnung grosse Bedenken gegenüber der Gruppenhaltung aufgrund der Saugproblematik einbrachten, wird inzwischen überraschend positiv über die Erfahrungen mit der Gruppenhaltung der über acht Wochen alten Kälber berichtet. Häufig tritt jedoch gegenseitiges Belecken und Beknabbern der Kälber in der Gruppenhaltung auf. Auch dies kann, ebenso wie gegenseitiges Besaugen, Zeichen eines unbefriedigten Saugbedürfnisses bei einer ungeeigneten Tränketechnik sein (VEISSIER et al., 1998).

Was läßt sich tun

Wie aber lassen sich die bestehenden Bedingungen in Deutschland verbessern? Eine wesentliche Verbesserung könnte allein dadurch erreicht werden, wenn die Vermarktung von Kalbfleisch unabhängig von der hellen Fleischfarbe wäre. Gesetzliche Bestimmungen gibt es in Deutschland nicht, bei den einzelnen Abnehmern (Westfleisch, Brüninghoff etc.) ist das Merkmal der blassen Fleischfarbe aber ein wichtiges Vermarktungskriterium.

Die einzelnen Abnehmer unterscheiden sich hinsichtlich der Toleranz der Fleischfarbe, abhängig von den Vermarktungsmöglichkeiten. Einige tolerante Abnehmer akzeptieren bis zu 10% „rote“ Kälber in einer Charge. Diese Kälber sind meist sogenannte „Pansentrinker“, die die Milchtränke fehlverdauen und deshalb nur mit Kraft- und Rauhfutter gemästet werden konnten. Nach Aussagen der Kälbermäster werden diese häufig als „Biokälber“ vermarktet, die artgerecht gefüttert wurden. Diese Kälber wurden freilich unter ansonsten gleichen Haltungsbedingungen gehalten wie die herkömmlich vermarkteten Mastkälber. Wird der vom Abnehmer akzeptierte Anteil „roter“ Kälber überschritten, kommt es zu Abzügen für den Mäster, die nicht unerheblich sind. Meist wird das Fleisch dann als Kuhfleisch klassifiziert, was einen Wertverlust von etwa der Hälfte bis zu zwei Dritteln bedeutet. Aber nicht jedes rosa Kalbfleisch entstammt derartigen seltsamen Vermarktungszweigen. Es gibt auch Marketingkonzepte, wie beispielsweise von Biopark e. V. in Mecklenburg-Vorpommern, die rosa Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung anbieten.

Ein Hauptstein im Weg zur besseren Mastkälberhaltung scheint die Akzeptanz der VerbraucherInnen zu sein. Zum einen schwirren in den Köpfen noch immer die Assoziationen der besseren, gesünderen und leicht bekömmlichen Qualität des Kalbfleisches, zum anderen läßt sich blasses Fleisch auf einfache Weise eindeutig als Kalbfleisch identifizieren. Das Vertrauen muss gross sein, wenn für das rote Fleisch direkt neben dem roten, billigen Suppenfleisch von der Kuh dreimal mehr bezahlt werden soll, nur weil es angeblich von einem Kalb stammt. Zudem glauben viele Verbraucher, dass Kalbfleisch einfach normalerweise blass ist, weil die Tiere noch so jung sind. In der Vergangenheit hat es schon einige Aufklärungskampagnen über den Hintergrund des Kalbfleisches gegeben, mit nur einem geringen Erfolg.

Erfolge in der Schweiz

Ein Beispiel aus der Schweiz zeigt aber, dass konsequente, qualifizierte Tierschutzarbeit in dieser Hinsicht doch einiges Bewirken kann.

Die schweizerischen Tierschutzorganisationen, insbesondere der Schweizer Tierschutz (STS), führten über mehrere Jahre umfangreiche Aufklärungskampagnen in der Öffentlichkeit durch. Ende des Jahres 1998 riefen der STS und die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) bundesweit für eine Woche zum Boykott von Kalbfleisch auf (LID Mediendienst). Die Folgen des Boykotts und die zunehmende Aufgeklärtheit der Kunden bezüglich der Fleischfarbe führte dazu, dass seit 1999 die Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung (GSF) auf Abzüge beim Aufkauf dunkler gefärbten Kalbfleisches für die Erzeuger verzichtete. Auch die Mäster begrüßten diesen Schritt, da auch sie, vermutlich aufgrund der höheren Zunahmen durch eine Rauhfutterfütterung, den Kälber gern Rauhfutter anbieten wollten. Dabei muß hinzugefügt werden, dass auch vor diesem Entschluß die Haltungsbedingungen der Mastkälber in der Schweiz nicht so schlecht waren, da sie, wie bereits erwähnt, alle auf Stroh gehalten wurden. Sie hatten jedoch häufig keinen Zugang zu zusätzlichem Rauhfutter (EGGER, 1995).

Verbesserung der Verordnung

Neben der Verbraucheraufklärung wären auch Verbesserungen im gesetzlichen Bereich wünschenswert. Insbesondere die Haltung der Kälber auf Stroh und das Verabreichen der Milchaustauschertränke über Sauger sind Maßnahmen, die das Wohlbefinden der Mastkälber deutlich steigern können. Zudem sollte der Gesetzgeber den geforderten Mindest-Hämoglobin-Wert erhöhen, um eine Anämie der Kälber sicher auszuschließen. Eine strengere Verordnung in Deutschland birgt jedoch die Gefahr, dass durch innereuropäische Wettbewerbsnachteile das Problem der wenig tiergerechten Kälbermast lediglich in andere, kälbermastintensivere Länder wie die Niederlande, Frankreich oder Italien verlagert wird. In diesen Ländern sind zum einen die gesetzlichen Forderungen nicht so weitreichend, zum anderen ist die Lobby der Kälbermäster dort noch stärker ausgeprägt. Aufgrund dessen ist eine Verbesserung der rechtlichen Grundlagen auf EU-Ebene notwendig.

LITERATUR:

BOGNER, H., G. PRANCKH u. A. GRAUVOGL (1986): Die Verwendung von Grobfutter bei der Mast von Kälbern mit Flüssigmilch aus der Sicht der Ethologie. Tierärztl. Umsch. 41, S. 834-836.

BOSTEDT, H., R. HOSPES, A. WEHREND u. P. SCHRAMEL (2000): Auswirkungen einer parenteralen Eisenzufuhr auf den Eisenversorgungsstatus in der frühen postnatalen Entwicklungsperiode beim Kalb. Tierärztl. Umsch. 55, S. 305-315.

BÜNGER, H. (1931): Die Kälbermast. Verlag Paul Parey, Berlin (Anleitungen der Dt. Gesell. für Züchtungskunde. Nr. 16)

BÜNGER, U., P. SCHMOLDT u. J. PONGÉ (1986): Orale und parenterale Eisenmangelbekämpfung in Beziehung zum Ablauf von Erkrankungen bei Tränkekälbern aus verschiedenen Herkunftsbetrieben. Mh. Vet.-Med. 41, S. 302-306.

BÜNGER, U., K.A. SCHLAEFER u. U. GRAETSCH (1987): Bekämpfung des Eisenmangels bei Kälbern sowie Auswirkungen auf Pneumonie- bzw. Durchfallerkrankungen und Lebendmassezuwachs. Mh. Vet.-Med. 42, S. 357-363.

DUNCAN, I.J.H., J. RUSHEN u. A.B. Lawrence (1993): Conclusions and implications for welfare. In: A.B. LAWRENCE u. J. RUSHEN (Hrsg.):Stereotypic animal behaviour: Fundamentals and applications to animal welfare. Verlag CAB International, Wallingford, S. 193-206

EGGER, I. (1995): Muss an Mastkälber Heu verfüttert werden? Agrarforschung 2(5): S. 169-172.

GEBAUER, H. (1960): Zur Weißfleischfrage. Tierärztl. Umsch. 15, S. 93-94.

GODFREY, N.W. (1969): The functional development of the calf. II. Development of the rumen function in the calf. J. Agric. Sci. 57, S. 177-183

KOOIJMAN, J., H.K. WIERENGA u. P.R. WIEPKEMA (1991): Development of abnormal oral behaviour in group-housed veal calves: effects of roughage supply. In: J.H.M. MEtz u.

GROENESTEIN (Hrsg.): New trends in veal calf production. Proceedings of the international symposium on veal calf production, Wageningen, Niederlande, 14-16 March 1990. Verlag EAAP Publications, Wageningen, S. 54-58

NEUMANN, W. u. G. GRIEB (1968): Der Einfluß der Dunkelstallhaltung auf die Mast von Schweinen und Rindern sowie auf einige Leistungen bei Zuchtschweinen. Tierzucht 22, S. 354-357

PLATH, U. (1999): Beurteilung verschiedener Tränketechniken und Betreuungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die oralen Aktivitäten, den Gesundheitszustand und die Mastleistung über zwei bis acht Wochen alter Mastkälber in Gruppenhaltung. Diss., Hannover
SAMBRAUS, H.H. (1978): Verhalten des Kalbes. (In: SAMBRAUS, H.H. (Hrsg.): Nutztierethologie. Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg, S. 98-99

TER WEE, E., H.K. WIERENGA, I.P. JORNA u. A. C. SMITS (1991): Health of veal calves in 4 systems of individual housing during the first weeks of the fattening period. In: J.H.M. MEtz u. GROENESTEIN (Hrsg.): New trends in veal calf production. Proceedings of the international symposium on veal calf production, Wageningen, Niederlande, 14-16 March 1990. Verlag EAAP Publications, Wageningen, S. 81-84

VAN PUTTEN, (1987): Housing and management concepts in todays ceal production. In: M.C. SCHLICHTING u. D. SMIDT (Hrsg.): Agriculture. Welfare aspects of housing systems for veal calves and fattening bulls. Commission of the European Communities, Luxembourg, Report EUR 10777 EN, S. 45-59

VEISSIER, I., I. CHARPENTIER u. G. DESPRÈS (1998): Incidence of sucking compared to drinking milk on behaviour and heart rate of calves. In: VEISSIER, I. u. A. BOISSY (Hrsg.): Proceedings of the 32nd Congress on Applied Ethology, Clermont-Ferrand. Institut National de la Recherche Agronomique, France S. 185

WEBSTER, A.J.F. u. C. SAVILLE (1981): Rearing of veal calves. In: Alternatives to Intensive Husbandry Systems. Verlag Universities Federation for Animal (UFAW), Potters Bar, S. 86-94

WIEPKEMA, P.R., K.K. VAN HELLEMOND, P. P. ROESSINGH u. H. ROMBERG (1987): Behaviour and abomasal damage in individual veal calves. Applied Animal Behaviour Science 18, S. 257-268

ZMP (Informationsdienst für die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft Nachrichten) (2000): Kälbermast lohnt sich kaum. Jahrg. 38, Nr. 39 (http://www.Zmp.de/presse/nachrichten/zmpnac49.htm#no1)

LID Mediendienst; Nr. 2393 vom 17.12.1998
(http://www.lid.ch/altpd/Mediendienst98/md2393/seite6.html)

RECHTSTEXTE

Verordnung zum Schutz von Kälbern bei Stallhaltung (Kälberhaltungsverordnung) vom 1. Dezember 1992, Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 55, S. 1977-1980

Erste Verordnung zu Änderung der Kälberhaltungsverordnung vom 22. Dezember 1997, Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 88, S. 3326-3327

Richtlinie 91/629/EWG des Rates vom 19. November 1991 über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 340, S. 28-30

Richtlinie 97/2/EG des Rates vom 20. Januar 1997 zur Änderung der Richtlinie 91/629/EWG über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 25, S. 24-25

Veto 49

We are still confused,

but on a higher level

Ihr haltet die vorletzte VETO in der Hand. Nach fast 20 Jahren AGKT verschwindet damit ein zentrales Bindeglied zwischen denen, die sich der AGKT zugehörig fühlten – Mitglieder im eigentlichen Sinne gab es ja wohlweislich nie -und dem Sympi-Sumpf, wie das früher mal neudeutsch hieß. Wie es weiter geht, ist noch offen. Ob die Debatten, die in der VETO meist früher angestoßen wurden als anderswo, sich auf andere Medien verlagem oder eben nicht mehr öffentlich angestoßen werden, muß sich zeigen. Es bestehen dazu ja einige Ideen, die auf dem letzten Treffen aber auch schon in dem neuen Medium diskutiert wurden. Es wird von denen abhängig sein, die sich der kritischen Analyse des Bestehenden und der Suche nach dem besseren Neuen verpflichtet fühlen, ob uns das gelingt.

Einen Grund können wir für das Ende der VETO nicht ins Feld führen: Das es nichts mehr zu sagen (schreiben) gäbe. Wie die VETO 49 wieder zeigt, gibt es die Themen, die die VETO jahrelang zum Iesensweitesten Schrifttum der Tiermedizin machten, immer noch:

Die soziale Situation von Tierärztlnnen (VETO 6, 7, I2, 3 I, 39), Deike Schacht setzt sich in dieser VETO kritisch mit den Regelungen der Versorgungswerke zu Erziehungszeiten auseinander. Sie zeigt dabei nicht nur auf, inwieweit die Regelungen systemimmanent logisch sind, sondem diskutiert auch mögliche Altemativen.

Der kritische Einsatz von Arzneimitteln vor allem in der Nutztierpraxis (8, 9, 23, 25, 27, 35, 46). Norbert Roers plädiert dafür Parameter zu definieren, wie ein Herdengesundheitsmanagement bewertet werden kann. Nicht umfangreiche Regellisten bringen uns weiter, sondem einfache nachvollziehbare inhaltliche Kontrollmechanismen. Der Quotient aus Arzneimitteleinsatz und biologischer Leistung erscheint ihm ein probates Kriterium, um die Qualität des Herdenmanagements zu bewerten. Der Durchschnitt der betreuten Herden ließe dann auch Rückschlüsse auf die Praxis zu (sog. Praxis-Performance-Indikator).

Internationale Blickwinkel waren auch schon immer ein Thema der VETO: Wie machen es die anderen? Welche Ideen gibt es dort? Pikantewveise wird in dieser VETO über britische Konzepte berichtet. Peter Plate geht als Gastarbeiter der Frage nach, ob der Herdengesundheitsplan Tierschutz und Tiergesundheit voran bringt, ob er nur ein neuer bürokratischer Auswuchs ist, ein Mittel der monopolisierten Vermarkter, Landwirte zu drangsalieren, ob er Tierärzte und Landwirte gegeneinander ausspielt oder ob er eine Chance für eine transparentere Lebensmittelproduktion bietet.

Was wäre die VETO ohne die alternativen Heilmethoden? Und Ideen, wie sie Sabine Gajdoss in „Pigs might fly“ formuliert.

Tierhaltung gehört zu den absoluten AGKT-Klassikem (VETO 6, I5, I8, 20, 2l, 22, 24, 25, 28, 40, 42, uva): Aus dem Leben von Mastkälbern und ihren Halterlnnen berichtet Ursula Plath und zeigt auf, wo in den letzten Jahren der Zug hinfuhr und wie das zu bewerten ist.

Schließlich und endlich noch Tierhandel und Artenschutz (VETO 25, 34 u.a.): Hatte die AGKT immer ein wenig den Ruf, von den Kritikerlnnen der Nutztierhaltung dominiert zu sein, so gab es insbesondere in der VETO, aber auch auf vielen Treffen immer wieder die Themen Kleintiere, Handel mit ihnen, Handel mit Exoten, und es wurden in vielen VETOs Anforderungen an die Haltung bestimnter„Liebhabertierarten“ definiert. Auch hier wieder ein Klassiker: „Wilder Handel mit Wildtieren“ gibt einen Überblick über gesetzliche Regelungen, über die großen Lücken und die Folgen für die Tiere.
Wie so oft rundet ein Bericht vom letzten AGKT-Treffen auch diese VETO ab.

Der lange Abschied

Bereits seit dem AGKT-Treffen Mai 1998 im Jagdschlösschen Görde besteht die Idee der Super-JubiIäums- Rückschau-wiewardasdennnoch-achhabenwirwirklichsovielzudiesemThemageschrieben?- VetoNr. 50. Trotz einiger Stimmen, die das Veto-Projekt schon zu diesem Zeitpunkt beenden wollten, war offensichtlich für die meisten der Gedanke tröstlich, nach all den Jahren mit einer soliden, runden Zahl aufzuhören. Obwohl wir uns in den letzten Jahren immer schwerer taten, die Ausgaben fertigzustellen, hatte dieser Beschluss doch zumindest den Vorteil, daß die Nummer 49 vor Euch liegt. Über die Konzeption der Veto 50 haben wir nun auch schon auf zwei AG-Treffen gesprochen. Die Redaktionssitzung wird am 22.10.01 in Bremen bei Carmen Baar stattfinden, wer noch etwas dazu beitragen möchte, möge sich bitte über alle öffentlich zugänglichen Kommunikationskanäle bei jeder Polizeidienststelle, bei irgendjemanden von uns, am besten aber direkt in Bremen melden, oder für immer schweigen.

Treffen soll es aber weiter geben, zunächst Ende Novenber in Kaufungen und die Kommunikation über Emails ist durch Jans Einrichtung einer Diskussions-Gruppe, Adresse: agkt@yahoogroups.com wesentlich erleichtert worden. Telefone und Faxgeräte wird es aber wohl auch noch einige Jahre geben. Hier also der allerallerallervorletzte Aufruf an alle veto-Leserlnnen: wenn Ihr uns noch was zu sagen habt, tut das doch bitte auf die eine oder andere Art, oder eben nicht.

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis der Veto Nr. 49

[DOWNLOAD – PDF – 6 MB]

Redaktionelles

Inhalt & Impressum ………………… 2

Editorial ……………………………… 3 

Tierärztliche Praxis

Kindersegen 
Zur Situation der Alterssicherung bei TierärztInnen mit Kindern ….. 4 

Der Quotient
Wenn es nicht hart ist, ist es nicht ….. 8 

Tierseuchen

Herdengesundheitspläne in Großbritannien
Praktizierter Tierschutz oder Auswuchs des Monopolismus? ………………… 11 

Milchkuh ©J. Herrmann

Ausbildung

Pigs might fly
von Träumen und heiligen Kühen…. 16 

Tierhaltung

Sechs Monate Leben
Über die Fütterung und Haltung von Mastkälbern …………………… 18 

Mastkälber ©J. Herrmann

Tierhandel

Wilder Handel mit Wildtieren….. 24 

Weitere Themen

Heimtiere und Qualzüchtungen
Protokoll des AGKT-Treffen am 20/21.05.2000 in Bretzfeld………. 29 

AGKT online
Email-Adressen …………………… 31 

Aus dem Netz
Hart am Wind
Veto 49 Themen im Internet……..33 

Anzeigen ………………………….. 34 

Ankündigung
AGKT-Treffen in Niederkaufungen…………………… 35

Kontaktadressen ………………….. 36 

Desire to go

Tierschutz und Schlittenhundesport

von Wolfram Schön

aus Veto 48 – 2000, S. 42-45

Die Zucht hat aus dem Allroundtalent Wolf zahlreiche hochspezialisierte Gebrauchshunderassen entstehen lassen, die nicht nur von ihrem Exterieur sondern auch von ihrem Verhaltensmuster an die jeweilige Aufgabe angepaßt sind. Die artgerechte Haltung von Gebrauchshunden erfordert, daß auch diesen Bedürfnissen Rechnung getragen wird, indem ursprüngliche (z.B. Hütearbeit) oder zumindest vergleichbare Aufgaben (z.B. Agility) angeboten werden. 

Schlittenhunden sind Laufhunde, was sich auch in ihrer Verhaltensontogenese widerspiegelt. So sind Siberian Husky-Welpen erheblich früher als Welpen anderer Hunderassen bzw. Wolfswelpen zu koordinierten Bewegungsmustern fähig (ALTHAUS 1982). 

Dem Rassemerkmal Bewegungsbedürfnis („desire to go“) muß eine artgerechte Haltung Rechnung tragen. Die „normale“ Haltung als Begleithund, der zweimal am Tag an kurzer Leine zum nächsten Grünstreifen ausgeführt wird, führt bei Schlittenhunden nicht selten zu Verhaltensstörungen (v.a. destruktives Verhalten). Die Besitzer geben solche Tiere häufig im Alter von 8-12 Monaten ab, nicht selten mit der Endstation Tierheim. 

Zu den Schlittenhunden zählen die FCI-anerkannten Rassen Siberian Husky, Alaskan Malamute, Samojede und Grönlandshund, während der Kanadische Eskimohund ausschließlich vom Canadian Kennel Club anerkannt wird. Schlittenhunde haben ihre Funktion als Arbeitstiere der arktischen Subsistenzwirtschaft weitgehend verloren. Teilweise wurden auch die halbnomadischen Kulturen der Inuit oder der ostsibirischen Tschuktschen zerstört, sodaß dort die Basis der Hundezucht verloren gegangen ist. Jedoch sind Samojeden, Alaskan Malamutes, Siberian Huskies und Grönlandshunde als alte Haustierrassen Kulturgüter der Menschheit und damit erhaltenswert. 

Daneben gibt es Schlittenhunde ohne registrierte Zucht, die traditionell als Alaskan Huskies bezeichnet werden. Ursprünglich waren hiermit die Hunde der Ureinwohner gemeint (synonym: „Indian Dogs“), inzwischen wird der Begriff für die Gebrauchskreuzungen aus nordischen Hunden, Windhunden oder Jagdhundrassen verwendet, die eigens für den Schlittenhundesport gezüchtet werden. Deren Exterieur und Fellbeschaffenheit unterscheidet sich teilweise jedoch stark von den Hunden arktischer Herkunft. 

Schlittenhundesport 

Schlittenhunderennen sind keine Erfindung des weißen Mannes, sie wurden bereits von der Urbevölkerung Ostsibiriens durchgeführt. So wurde bei den Korjaken das unterlegene Team nach dem Rennen komplett den Göttern geopfert… Zu Beginn des 20. Jahrhunderts organisierten die Goldgräber in Alaska Schlittenhunderennen, und von dort breitete sich der Sport nach Kanada und die südlichen Staaten der USA aus. 

Der Schlittenhundesport wird seit Anfang der siebziger Jahre auch in Europa betrieben. Innerhalb von etwa zwanzig Jahren sind die Rennen von Veranstaltungen weniger Enthusiasten zu Medienereignissen geworden, die von Futterfirmen oder auch Wintersportorten zu Werbezwecken genutzt werden. Die Rennen werden in verschiedenen Disziplinen durchgeführt (Sprint ca. 8-20 km, Middle Distance ca. 40 km, Longtrail 70km und mehr), gestartet wird in verschiedenen Klassen ( je nach Anzahl der Hunde). Eine Sonderform ist der Skandinaviersport, bei dem ein bis drei Hunde einen Lastenschlitten ziehen, gefolgt vom Musher (Hundeführer) auf Langlaufskiern. Nach dem Vorbild des Iditarod in Alaska werden auch in Europa mehrtägige Etappenrennen veranstaltet (z.B. TransThüringia, Scandream). Im Gegensatz zu den USA, wo z.T. fünfstellige Dollarbeträge als Preisgelder winken, haben die europäischen Rennen keinen kommerziellen Charakter. Weniger bekannt ist der Tourensport, der jedoch der ursprünglichen Verwendung der Hunde am nächsten kommt. Hier geht es um die Überwindung mittlerer Distanzen z.T. mit Lasten, jedoch ohne Wettkampfcharakter. Schneerennen sind bei uns, abhängig von der Wetterlage, nur in Mitteloder Hochgebirgslagen möglich, sodaß die Mehrzahl der Rennen mit speziellen Trainingswagen veranstaltet wird. Schlittenhundesportler sind in einer Vielzahl von Vereinen organisiert, wobei eine „offene“ und eine „reinrassige“ Szene unterschieden werden kann. 

Haltung 

Schlittenhunde werden meist in größerer Anzahl gehalten, wobei in Großzwingern Nordamerikas hundert Hunde und mehr zu finden sind. Ein Zwingerbau ist in den abgelegenen Regionen oft nicht möglich, auch kann eine Umzäunung infolge starker Schneefälle unwirksam werden. Dort hat sich eine Haltungsform etabliert, bei der der Hund an einem Pfahl mit Kette befestigt ist. Die Bewegungsmöglichkeit ist gering, wichtige soziale Körperkontakte zwischen den Tieren sind nicht möglich. Dennoch gab es in der Schlittenhundeszene Veröffentlichungen, die diese Haltungsform unkritisch befürworteten. 

Bei uns ist die Haltung von Schlittenhunden aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur in Zwingern möglich. Der Zwingerhaltung haftet ein schlechter Ruf an, da es z.B. bei der Einzelhaltung von Wachhunden zur sozialen Deprivation der Tiere kommen kann. Diese Gefahr ist jedoch bei einer Gruppenhaltung von Schlittenhunden nicht gegeben, da die Tiere ihre sozialen Verhaltensmuster ausleben können. 

Das mitteleuropäische Klima stellt für die Hunde kein Problem dar, erforderlich ist jedoch neben der vorgeschriebenen Hütte eine Teilüberdachung als Witterungsschutz (Schatten im Hochsommer!). Die Umzäunung muß Kletter- wie Untergrabeversuchen standhalten, da der Jagdtrieb freilaufender Schlittenhunde für Haus- oder Wildtiere gefährlich werden kann. Der Zwinger muß eine angemessene Größe haben, zusätzlich ist den Hunden eine Auslaufmöglichkeit zu bieten. 

Die Teilnahme an Schlittenhunderennen ist ein sehr kosten- und zeitintensives Hobby, besonders wenn man der Faszination eines großen Teams erlegen ist. Vereinzelt unterschätzen Musher dabei die hohen Folgekosten und den erheblichen Zeitbedarf. Hier kann es zu tierschutzrelevanten Bedingungen kommen, wenn etwa Unterbringungs- und/oder Transportmöglichkeiten der gestiegenen Hundezahl nicht mehr angemessen sind. Wenn die Versorgung eines großen Teams sämtliche verfügbare Zeit der Familie oder Lebensgemeinschaft beansprucht, führt jede Änderung der Lebenssituation z.B. durch berufliche Veränderung, Trennung etc. zu massiven Problemen und nicht selten dazu, daß ganze Teams abgegeben werden. 

Transport von Schlittenhunden 

Meist werden die Hunde in selbstgebauten Boxenaufbauten auf Kleinlastern, Pick-Ups bzw. Pkw-Anhängern zu den Rennen transportiert. Gesetzliche Anforderungen an den Transport bestehen nicht, da die Tierschutztransportverordnung nur für den gewerblichen Bereich gilt. In den Boxen müssen die Hunde aufrecht stehen können, jedes Tier muß ausreichend Platz zum Liegen haben. Wegen der größeren Verletzungsgefahr bei Notbremsungen bzw. Unfällen sollten die Boxen andererseits nicht zu groß bemessen sein. Der Boden muß rutschfest und griffig sein, damit Fahrzeugbewegungen abgefangen werden können. 

Hundetransporter. Bild: Wolfram Schön.

Doppelte oder isolierte Außenwände sind notwendig, um die Kondensation der Luftfeuchtigkeit zu verhindern. Die Boxen müssen ausreichend, aber zugfrei belüftet werden, dabei dürfen Feuchtigkeit oder Abgase nicht eindringen. Die Trennwände zwischen den Boxen sollten geschlossen sein, um Zugluft und sozialen Streß durch Rangdruck zu vermeiden. Da die Hunde am Rennplatz zeitweise auch in den Boxen untergebracht werden, ist eine Sichtmöglichkeit nach außen notwendig. 

Ein Gebrauch von Lieferfahrzeugen mit Transportregalen, die zur Mitte offen sind, ist als tierschutzwidrig abzulehnen, da die Hunde z.T. mit kurzen Anbindeketten fixiert werden. Damit besteht keinerlei Bewegungsmöglichkeit und eine erhebliche Verletzungsgefahr (bis hin zur Strangulation) bei Notbremsungen oder Unfällen. 

Durchführung von Schlittenhunderennen 

Am Rennort werden die Hunde meist an einem „StakeOut“ untergebracht. Dies ist eine zwischen zwei Pflöcken befestigte Kette oder ein Stahlseil, mit kurzen Seitenketten in regelmäßigen Abständen, an denen die Hunde per Halsband angebunden sind. Ketten haben den Vorteil, daß sie im Gegensatz zu Stahlseilen keine Schlaufen bilden, die sich leicht um Gliedmaßen der Hunde wickeln können.Wird das „Stake-Out“ direkt am Fahrzeug befestigt, können oftmals nur sehr kurze Einzelketten verwendet werden, die diese Bedingungen nicht erfüllen.Die Länge der Einzelketten am Stake-Out müssen so bemessen sein, daß die Hunde unbehindert stehen, liegen und Kontakt zum Nachbartier aufnehmen können. Das Reglement sieht eine tierärztliche Kontrolle vor, bei dem kranke oder leistungsgeschwächte Hunde vom Start ausgeschlossen werden können. Jegliche Zwangsmittel sind bei Rennen verboten. Wenn Hunde aus dem Rennen genommen werden müssen, werden sie auf dem Schlitten zum Ziel zurückgebracht. Steigt die Außentemperatur auf 15° Celsius, sind die Rennen abzubrechen, um der Gefahr einer Überhitzung der Hunde zu entgehen. Wie in jeder Sportart mit Tieren, kann falscher Ehrgeiz dazu führen, daß an Rennen teilgenommen wird, auf die die Tiere nicht entsprechend vorbereitet wurden. 

Stake-Out. Bild: Wolfram Schön.

Tierrechtler 

Eine Gruppe von Tierrechtlern lehnt den Schlittenhundesport grundsätzlich ab und versucht auf großen Rennen Aufmerksamkeit durch Flugblatt- oder Störaktionen zu erreichen. Ihre Publikationen versuchen bei den Besuchern den Eindruck zu erwecken, daß die Unterbringung am Rennort in Boxen bzw. Stake-Out (Kettenhunde!) der ständigen Haltung der Tiere entspricht. Auch würden die Hunde nur durch Zwang zum Laufen gebracht, ein Vorwurf, der kaum nachvollziehbar ist, wenn man einmal die Ungeduld von Hundeteams am Start erlebt hat. Diese Positionen beeinflußten einen Bericht in dem ARD-Magazin REPORT (Mai 98) unter dem Titel „Formel eins auf vier Pfoten“. Dort wurde per verdecktem Interview von tierschutzrelevanten Trainingsmethoden (angeblich auf Laufbändern im Keller bzw. mit Teletakt) berichtet, wobei diese Hunde aber nicht auf Rennen zum Einsatz kämen. Für welchen Zweck sie dann eigentlich trainiert werden, blieb offen. Auch wurde beklagt, daß Alaskan Huskies auf einem Rennen angeblich vor Kälte zittern, während der Renntierarzt von Problemen mit Überhitzung berichtete. Diese und etliche andere Ungereimtheiten lassen erhebliche Zweifel an der journalistischen Qualität des Berichtes aufkommen. Auch wenn die angeführten Behauptungen leicht zu widerlegen sind, kann der Schlittenhundesport diese Kritik nicht einfach ignorieren. 

Initiativen im Bereich von Schlittenhundesport und – haltung 

Nicht immer ist die Haltung von Schlittenhunden artgerecht: Ursache dafür ist sowohl der Einzelhundebesitzer, der sich mit einem blauäugigen Husky als schickem Accessoire schmückt, wie auch der Hundesportler, der in seinen Tieren so etwas wie belebte Sportgeräte sieht. Die letztgenannte Grundhaltung ist nicht „schlittenhundespezifisch“, sondern in ähnlicher Weise überall dort zu finden, wo Sport mit Tieren betrieben wird. Hier sind die Sport- und Zuchtverbände gefordert. Ungeachtet der Tatsache, daß ungerechtfertigte Kritik zurückzuweisen ist, genügt in den übrigen Fällen keinesfalls der Hinweis auf die berühmten „Schwarzen Schafe“. Die Verbände werden daran gemessen werden, welche Maßnahmen sie konkret ergreifen, um tierschutzwidrigen Zuständen zu begegnen. 

Tierschutzarbeit im Bereich des Schlittenhundesportes kann nur erfolgreich sein, wenn sie zwei Aufgaben ernst nimmt: Aufklärungsarbeit und Wissensvermittlung über die ethologischen Bedürfnisse von Schlittenhunden, sowie Sanktionsmöglichkeiten. Ein Rennreglement, das irgendwo und unverbindlich das „tierschutzgerechte Auftreten des Mushers“ fordert, ist als unzulänglich einzustufen. Aber auch ausgeklügelte Tierschutzbestimmungen allein schaffen keine besseren Zustände, wenn ihre Bedeutung nicht auch nach außen vermittelt wird. Insofern ist bei der Durchsetzung Sachverstand und kein „Zollstocktierschutz“ gefragt. Letzterer hätte eine fatale Auswirkung auf die notwendige Einsicht unter den Schlittenhundesportlern. Wer jedoch Tierschutzanforderungen in gravierender Weise mißachtet, muß auch mit einem Startverbot rechnen. Ebenso genügt es nicht, Mindestanforderungen an die Haltung in Zuchtzwingern zu verabschieden, wenn diesen nicht durch entsprechende Sanktionen gegen unwillige Mitglieder auch Nachdruck verliehen werden kann. 

ISDVMA 

Die International Sled Dog Veterinarian Medical Association sammelt und verbreitet veterinärmedizinische und andere wissenschaftliche Erkenntnisse, die für den Schlittenhundesport relevant sind. Dies geschieht durch regelmäßige Publikationen, wie auch durch Fortbildungsveranstaltungen für Tierärzte. Tierärzte der ISDVMA stellen bei den großen Rennen in Alaska (Iditarod) die medizinische Versorgung in den Checkpoints sicher und haben das Recht, Hunde aus dem Rennen zu nehmen. 

Mush with P.R.I.D.E. 

Nach amerikanischem Vorbild entstand diese Initiative der großen Schlittenhundesportverbände (DSSV, AGSD, TCE) und des SHC. Sie hat eine Tierschutzbroschüre (Verantwortungsbewußt leben mit Schlittenhunden) herausgegeben, die sowohl Grundinformationen für Zuschauer bei Rennen bietet, wie auch detaillierte Tierschutzanforderungen beschreibt. Dabei nehmen Transport, Haltung am Rennort sowie das Rennen selbst einen breiten Raum ein. Aber auch Haltung, Sozialansprüche, Erziehung und Gesundheitsvorsorge werden behandelt. Auch Fortbildungsveranstaltungen für Schlittenhundesportler werden organisiert. Als ersten Erfolg hat die ESDRA die Broschüre zum Teil ihres Rennreglements gemacht. Die ESDRA hat darüber hinaus eigene „Animal Welfare Judges“ ausgebildet, die auf den Rennen die Einhaltungen der Tierschutzbedingungen überwachen sollen. Die Anforderungen von Mush with P.R.I.D.E. müssen als verbindlicher Teil des Reglements durchgesetzt und auch nach außen vermittelt werden. Da nicht wenige Rennen internationale Beteiligung haben und auch hier ein einheitliches Niveau des Tierschutzes unabdingbar ist, müssen die Anforderungen über die nationalen Verbände zu deren Mitgliedern transportiert werden. 

Die Frage ist, welche Auswirkungen der Schlittenhundesport, ungeachtet der Faszination für den Menschen, auf die Hunde hat. Da Schlittenhunde (v.a. Siberian Huskies) in größerer Zahl in Deutschland verbreitet sind, muß auch eine artgemäße Beschäftigung für diese Hunde geschaffen werden. Zu ihren typischen Eigenschaften gehört jedoch nicht nur ihr charakteristisches Exterieur, sondern auch die Fähigkeit, angepaßt an ihren Lebensraum, für den Menschen eine Arbeitsleistung erbringen zu können. Wird diese als gleichrangiges Zuchtziel gesehen, findet zudem eine Selektion auf Vitalität statt. 

Daher sind Zuchtfehler, wie z.B. die Hüftgelenksdysplasie, bei Schlittenhunden wesentlich seltener als bei anderen Rassen. Um diese Arbeitsfähigkeit zu erhalten, gibt es zum Renn- oder Tourensport keine Alternative. Nicht zuletzt deshalb haben Zuchtverbände Leistungsprüfungen als Teil der Zuchtzulassung etabliert. 

Der Schlittenhundesport bedarf jedoch intensiver Tierschutzaktivitäten der Verbände. Es wäre jedoch zu wünschen, daß sich alle Organisationen daran beteiligen. Nur so kann der notwendige hohe Standard flächendeckend erreicht werden. 

Abkürzungsverzeichnis 

FCI – Federation Canine International
SHC – Siberian Husky Club
AGSD – Arbeitsgemeinschaft Schlittenhundesport Deutschland
DSSV – Dt. Schlittenhundesportverband
ESDRA – European Sleddog Racing Association
TCE – Trail Club of Europe
Mush with P.R.I.D.E – Providing Responsible Information on a Dogs Environment